Statue der Gottesmutter
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1. Fastensonntag (22.02.2015)

Alljährlich begegnen wir Jesus zu Beginn der Fastenzeit in der Wüste. Nicht aus freiem Willen war er dort, wie die Bibel berichtet. Es war der Heilige Geist, der ihn antrieb, vor Beginn seiner großen Sendung in die Stille und Abgeschiedenheit zu gehen.

Für alles, was wir tun, ist es entscheidend, den Antrieb oder den Zug des Heiligen Geistes in uns zu spüren. Wir können uns darauf verlassen, dass wir den Willen Gottes immer dann tun, wenn wir dieser vom Heiligen Geist bewegten Herzensregung folgen. Umso mehr wir uns wünschen, den Willen des Vaters zu erfüllen, umso eher werden wir fähig sein, ihn zu erkennen und zu erfüllen. Die heilige Schrift bekundet, dass Jesus vierzig Tag in der Wüste verharrte.

Es waren Tage des Fastens, der Entbehrung und der Reifung. Jesus war bis in die letzte Faser seines Herzen ganz Mensch, nicht nur ein bisschen. Das war notwendig, damit er uns vorleben konnte, wie man die menschliche Natur bezwingen kann, um sich Gott in freiem Willen unterzuordnen. Wüstentage sind aber nicht immer so trocken, wie sie klingen. Wer es versteht, in der Entbehrung materieller, geistiger und geistlicher Dinge sein Herz und seinen Geist zu Gott zu erheben, kann daraus großen Gewinn für sich selbst als auch für die Welt ziehen und dazu die Freude in der Vereinigung mit Gott finden. Gerade bei den Mystikern ist erkennbar, dass Wüstenzeiten, Zeiten der geistlichen Dürre, das größte Wachstum hervorgebracht haben.

Neben der Kargheit zählt zu den Wüstenerfahrungen auch der Kalt-Warmwechsel, der den Menschen abhärtet gegen die äußeren Einflüsse. Ebensolche Erfahrungen finden wir im geistlichen Leben wieder, die unsere Seele robuster und widerstandsfähiger machen. „Leben im Einklang mit der Natur“, ist ein sehr beflügeltes Wort, das heute synonym gesetzt wird mit den Worten Wohlbefinden, Harmonie und Gesundheit. Wendet man diese Parole auf ein Leben in der Wüste an, so wirken sie auf den ersten Moment etwas paradox. Jesus zeigt uns, dass der mit Gott verbundene Mensch überall Leben und Erfüllung finden und standhaft bleiben kann. Paulus erkannte, dass das Wesentliche im Leben das Vertrauen in Gott ist. „Sorgt euch um nichts, sondern bringt in jeder Lage betend und flehend eure Bitten mit Dank vor Gott!“ (Phil 4,6) „Leben im Einklang mit der Natur“ bedeutet, dass wir uns rückbesinnen und wieder Teil der Schöpfung werden. Wie oft ertappen wir uns dabei, dass wir gerne „Gott spielen“ oder spielen wollen und stellen uns in einer völlig überhöhten Weise über die Dinge. In der Wüste unseres Lebens bekommt unser Denken und Wahrnehmen eine neue Perspektive und unsere wahre Größe tritt uns vor Augen. Groß sind wir in Anbetracht der Schöpfung, weil Gott den Menschen als Krone der Schöpfung geschaffen hat. Wir dürfen die Dienste alles Geschaffenen für uns in Anspruch nehmen. Wir sind wahrhaft groß – aber auch sehr klein vor Gottes Angesicht. Wir sind sein Werk, ins Sein gerufen, durch seinen Willen, geschaffen durch seine Hand, belebt durch seinen heiligen Atem.

Die Wüste ist eine Erzieherin, die den Menschen zu formen weiß. Dass auch Paulus solche Zeiten erlebt hat und auf ähnliche Erfahrungen zurückgreifen kann, beweist sein bekannter Ausspruch: „Denn ich habe gelernt, mich in jeder Lage zurechtzufinden: Ich weiß Entbehrungen zu ertragen, ich kann im Überfluss leben. In jedes und alles bin ich eingeweiht: in Sattsein und Hungern, Überfluss und Entbehrung.“ (Phil 4,11-12) Doch nun kommt das Entscheidende: „Alles vermag ich durch ihn, der mir Kraft gibt.“ (Phil 4,13), betont der heilige Völkerapostel und fährt fort: „Trotzdem habt ihr recht daran getan, an meiner Bedrängnis teilzunehmen.“ Die vierzigtägige Fastenzeit will uns in die Wüstenerfahrungen Jesu mit hinein nehmen. Sie ist eine Einladung an die Gläubigen, an der Bedrängnis Jesu teilzunehmen. Lassen auch wir uns vom Heiligen Geist treiben, an den Ort der Entbehrungen, an jenen Ort, der in uns die Quelle des Lebens freilegen kann. In jeder Wüste finden wir Oasen. In den geistlichen Wüsten treffen wir Maria, die uns in ihrer mütterlichen Sorge immer nahe ist. Sie ist der Brunnen, das Gefäß, in dem Gott uns Christus, das lebendige Wasser reicht. Maria ist wie der Tau Gottes, der uns benetzt und erfrischt. Laden wir die heilige Jungfrau ein in unsere Wüsten, damit wir vom Tau der Gnade gestärkt, in die Welt zurückkehren können.