Gründungszeit
Die Anfänge unserer Gemeinschaft (1865-1905) Monarchie - Kaisertum Österreich (bis 1867) - Doppelmonarchie Österreich-Ungarn (ab 1867)
Die Gründungszeit unserer Kongregation können wir zwischen dem 30. Mai 1865, dem Gründungstag, und dem 09. Februar 1905, dem Todestag unserer Gründerin datieren. Die junge Gemeinschaft erlebt gleich zu Beginn einen politischen Umbruch: 1867 wird aus dem Kaisertum Österreich die Doppelmonarchie Österreich-Ungarn.
Die tiefste geistliche Wurzel unserer Gemeinschaft liegt im Bekehrungserlebnis unserer Gründerin. Die meisten anderen tiefgehenden Wurzeln finden wir in der Gründungszeit. Hier, im Wachsen und Reifen der ersten Schwestern, ist unsere spirituelle Ausrichtung beheimatet. Um unsere Gründungszeit in das historische Umfeld einzubetten, seien auch hier einige Persönlichkeiten und Ereignisse des kirchlichen und gesellschaftlichen Lebens genannt.
Zeitgenossen in Politik und Gesellschaft
- Kaiser Franz Josef
- Kaiserin Elisabeth
- Kronprinz Rudolf ist der Thronfolger
- Erzherzog Karl (letzter Kaiser Österreichs) wird am 17. August 1887 geboren
- Zita von Bourbon-Parma (letzte Kaiserin Österreichs) wird am 09. Mai 1892 geboren
- Erzherzog Franz Ferdinand ist ab 1896 Thronfolger
- Sigmund Freud absolviert sein Medizinstudium, promoviert und entwickelt seine psychoanalytische Therapie
- Dr. Theodor Billroth begründet die moderne Bauchchirurgie
- Pfarrer Sebastian Kneipp betreibt seine Wasserkur in Wörishofen, er stirbt 1897
Heilige Männer und Frauen in dieser Zeit
- Bernadette Soubirous tritt in den Orden in Nevers ein (1866) und stirbt 1879
- Pierre Julien Eymard, Gründer der Eucharistiner, stirbt 1868
- Sr. Catherine Labouré (Wundertätige Medaille) stirbt 1876
- Sr. Mirjam von Abbelin stirbt 1878
- Josef Freinademetz geht 1879 als Missionar nach China
- Don Bosco besucht im Juli 1883 das Schloss Frohsdorf bei Wr. Neustadt; sein Besuch bewegt die katholische und weltliche Presse
- Karl Lwanga stirbt 1886 in Uganda
- P. Damian de Veuster sorgt sich um das seelische und leibliche Wohl der Leprakranken auf Molokai und stirbt 1889 selbst an Lepra
- Sr. Josefine Bakitha wird als Sklavin verkauft, 1890 getauft und legt fünf Jahre später ihre Profess bei den Canossianerinnen ab
- Therese von Lisieux wird 1873 geboren, schreibt ihre Selbstbiografie und beschreibt ihren „Kleinen Weg“; sie stirbt 1897; Jahrzehnte später wird sie in unserer Gemeinschaft als Ordenspatronin verehrt werden
- Charbel Machluf (Maronit) stirbt 1898
Päpste
- Pius IX.
- Leo XIII.
- Pius X.
Seligsprechungen dieser Zeitspanne
- Thomas Morus (1886)
- John Fischer (1886)
- Ludwig Maria Grignion von Montfort (1888)
- Klemens Maria Hofbauer (1888)
- Sr. Maria Creszentia Höss (1900)
- Pfarrer von Ars (1905)
- Gaspare del Buffalo (1905)
Heiligsprechungen während der Gründungszeit
- Maria Franziska von den fünf wunden Christi – Mystikerin des III. Ordens des heiligen Franziskus (1867)
- Paul vom Kreuz – Gründer der Passionisten(1867)
- Laurentius von Brindisi – Kapuziner (1881)
- Die 7 heiligen Gründer des Servitenordens (1888)
- Rita von Cascia (1900)
Ereignisse dieser Zeitspanne
- In den USA wird die Sklaverei verboten (1865)
- Abraham Lincoln wird am 14. April 1865 erschossen
- Das Kaisertum Österreich ist ohne formale Verfassung (1865)
- Krönung des österreichischen Kaiserpaare zum König und zur Königin von Ungarn am 08. Juni 1867
- Die Pferdebahn der Wiener Tramway Gesellschaft geht in Betrieb (1869)
- Dr. Billroth gilt als Entdecker der Streptokokken und als Erstentdecker des Penicillins (1874)
- Kronprinz Rudolf heiratet 1881
- Dr. Billroth führt die erste Magenteilentfernung erfolgreich durch (1881)
- Kronprinz Rudolf erschießt Mary Vetsera und anschließend sich selbst im Jagdschloss in Mayerling (30. Jänner 1889), der Kaiser lässt das Jagdschloss in ein Karmelitinnenkloster umbauen
- Die Tragödie von Mayerling nimmt der Bevölkerung das Vertrauen in das Kaiserhaus
- Die Stummfilmzeit beginnt 1895
- Die Pferdebahn nimmt dem elektrischen Betrieb auf (1898)
- Kaiserin Elisabeth wird in Genf ermordet (10. September 1898)
Die ersten Tage...
… geben bereits Aufschluss über das unbändige Gottvertrauen, das Barbara Sicharter und ihre Freundin von Anfang an unter Beweis stellten. Sie kamen mit nahezu nichts in dem heruntergewirtschafteten Tonihäusl, dem ehemaligen Gasthaus, an. Wo früher getanzt und getrunken wurde, wollten die beiden Frauen ein Leben des Gebetes beginnen. Die Ausstattung dürfte gänzlich gefehlt haben, denn sie mussten während der ersten Zeit auf dem Boden schlafen. Ihren ganzen Besitz und Essensvorrat hatten sie in einem Buckelkorb mitgebracht. Sie besaßen keine Rücklagen und keine Vorräte, nur ihr Vertrauen in die väterliche Sorge Gottes. Deshalb legten sie ihr Leben ganz in die Hände Gottes, von dem sie jegliche Hilfe erwarteten.
Das erste Noviziat
Im Nachhinein gesehen kann das erste Jahr als Noviziatsjahr der Gründungsschwestern bezeichnet werden. Noch wusste niemand, wozu Gott die vier Frauen gerufen hatte. Sie waren seinem ersten Ruf, gemeinsam ein gottgefälliges Leben zu führen, gefolgt und machten das Gebet zum Zentrum ihres Lebens. Eine Klostergründung im eigentlichen Sinn stand damals nicht im Raum, nur das Verlangen, ein Leben mit Gleichgesinnten ganz für Gott zu leben. Im Gebet auf Gott hörend, suchten sie gemeinsam mit Karl Englhofer jene Aufgabe zu finden, die Gott für sie bereithielt.
Die einstigen Wenigzeller Bauerntöchter konnten als Mitglieder des Dritten Ordens Privatgelübde ablegen, die sie zu einem Leben nach den evangelischen Räten – Armut, Gehorsam und Ehelosigkeit – verpflichteten. Ihren Alltag gestalteten sie nach einem strengen Tagesplan. Sie versorgten den Haushalt und versuchten durch Handarbeiten ein kleines Einkommen zu erwirtschaften. Was sie sonst noch zum Leben brauchten, erhielten sie von einigen Wohltätern, die das ungewöhnliche Vorhaben dieser Frauen finanziell oder durch Materialspenden unterstützten.
Die vier Frauen trugen die ortsübliche Kleidung: blaue Kleider und Schürzen mit blauen Kopftüchern und einem breiten weißen Halstuch. Ihre Kleidung brachte ihnen bald den Namen „die Blauen Schwestern“ ein.
Der Beginn eines Krankenpflegeordens
Bereits nach dem ersten Jahr hat Gott die junge Gemeinschaft zu einem dreifachen Liebestun gerufen, das ihren Ausdruck in der Spitals-, Hauskranken- und Armenpflege fand. Maria Höller, die erste „Spitalspatientin“, verblieb 23 Jahre in der Betreuung der Schwestern. Was damals als Hauskrankenpflege bezeichnet wurde, entspricht heute eher dem Berufsbild der Familienhelferin, denn oftmals musste neben der Pflege der Kranken auch Haus und Hof mitbewirtschaftet werden. Als ehemalige Bauerntöchter gingen den Schwestern diese vielfältigen Arbeiten leicht von der Hand. Ihre Hilfestellung in Krankheit wurde von der Bevölkerung gerne angenommen, weil es am Land keine oder nur schlechte medizinische Grundversorgung gab. Für die junge Gemeinschaft bedeuteten diese Dienste auch ein kleines Zusatzeinkommen, das häufig in Naturalien angeboten wurde.
Der Dienst an den Kranken
Barbara und ihre ersten Schwestern besaßen keine Pflegeausbildung. Sie wandten das allgemeine Wissen an, das sie in ihren Elternhäusern erlernt hatten. Die Erfahrung und der ständige Umgang mit den Kranken förderte und festigte im Laufe der Zeit ihr pflegerisches Wissen.
Wer in den Häusern und Höfen versorgt werden konnte, wurde vor Ort gepflegt. Wo dies nicht möglich war, wurden die Kranken und Siechen in das „Tonihäusl“ aufgenommen. Kranke und Arme wurden dort umsonst oder gegen ein kleines Entgelt aufgenommen, verköstigt und pflegerisch betreut.
Das Liebeswerk wächst
In den kommenden sieben Jahren werden der Gemeinschaft vier weitere Frauen beitreten. Auch die Zahl der stationären Pfleglinge – Kranke und Altersschwache Menschen – steigt auf zehn an. Es wird eng im Tonihäusl, in dem im Jahr 1875 insgesamt 17 Personen leben. Allmählich beginnt die Suche nach einem größeren Eigenheim, sobald Karl Englhofer nach anfänglichem Zögern zugestimmt hatte.
Als erstes Objekt wurde im oberen Markt ein Gasthaus zum Kauf angeboten. In der Nacht vor der geplanten Vertragsunterzeichnung erkrankte Englhofer an einem Fußleiden, sodass der Vertrag nicht unterzeichnet werden konnte. Als Wink Gottes verstanden, wurde schließlich vom Kauf dieses Hauses abgesehen.
Bald darauf fanden die Schwestern ein geeignetes Haus unweit des „Tonihäusls“.
Das Eigenheim wird bezogen
Mit Freude und Dankbarkeit wurde in das neue Eigenheim übersiedelt. Mit Sack und Pack zogen die sieben Schwestern mit ihren zehn Patienten in das Stroblhaus, das bei der Übernahme noch ebenerdig und ohne Seitenflügel war.
Der Grund bot den Schwestern nun auch die Möglichkeit, Kühe und Schweine zu halten. Der landwirtschaftliche Betrieb trug zur Eigenversorgung bei und unterstützte die Verköstigung der Patienten.
Für den Erwerb des Hauses konnten einige Schwestern auf Erbschaften und Erbteile zurückgreifen. Der restliche Betrag wurde durch großzügige Spenden ihrer Wohltäter abgedeckt.
Das erste Jubiläum
Am 30. Mai 1875 konnten die „Blauen Schwestern“ ihr zehnjähriges Jubiläum feiern. Barbara Sicharter stand von Anfang an der kleinen Gemeinschaft vor. In Karl Englhofer fanden die jungen Frauen nach wie vor einen treuen Freund, Ratgeber und geistlichen Begleiter. Obwohl sie als Gemeinschaft noch immer keinen rechtlichen Status besaßen, waren sie nach außen hin deutlich als Schwestern erkennbar. Die Mitgliedschaft im Dritten Orden und der von Englhofer vorgegebene Lebensentwurf ermöglichten den „Schwestern“ ein annähernd klösterliches Leben. Gebet und Arbeit im Dienst an den Kranken und Armen füllten das opferbereite Leben der ersten Schwestern aus.
Rosina Demel
Das kleine Mädchen wuchs heran, zeigte großen Fleiß und brachte seine Begabungen zur Entfaltung. Dass Rosina von den Schwestern völlig uneigennützig aufgezogen wurde, erschließt sich aus dem späteren Ordenseintritt Rosinas bei den Grazer Schulschwestern. Aufgrund der Kränklichkeit, die sie dort entwickelte, musste sie den Orden wieder verlassen. Rosina kehrt zu den „Blauen Schwestern“ zurück und wird am 07. Dezember 1889 der Gemeinschaft beitreten. Das erworbene Wissen bei den Schulschwestern setzte sie als Rechte Hand von Barbara Sicharter für die Gemeinschaft ein. Ihr wurden später auch die jungen Schwestern und Kandidatinnen anvertraut. Auf Rat Karl Englhofers wurde sie die erste Novizenmeisterin. Ihre Kränklichkeit blieb bestehen. Im Alter von nur 33 Jahren gab sie 1903 ihr vorbildliches Leben und segensreiche Wirken in Gottes Hände zurück.
Betschwestern
Die Bevölkerung nahm das Wachstum dieser ersten kleinen Liebesgemeinschaft mit geteilter Meinung hin: Die einen waren dankbar für die liebevolle Pflege, welche die Schwestern den Ärmsten und Kranken angedeihen ließen. Die anderen waren darüber erbost, weil sich die besten Mägde und Bauerntöchter Barbaras Werk anschlossen. Letztere zerschlugen im Zorn die Fenster der Schwestern, beschimpften sie als „Betschwestern“ und sorgten derart für Aufruhr, dass mitunter die Gendarmerie schützend eingreifen musste. Man verklagte Barbara und ihre Schwestern sogar bei der Bezirkshauptmannschaft, sodass sie sich dort rechtfertigen mussten. Es dauerte eine Weile, bis die gesamte Bevölkerung das segensreiche Wirken der „Blauen Schwestern“ erkannte und schließlich dankbar annahm.
Unsere Liebe Frau in Lourdes
Maria, die sich in Lourdes als „Unbefleckte Empfängins“ zu Erkennen gab, zeigte sich für Bernadette und Barbara als liebevolle Mutter. Gott rief beide Frauen zum Werk der Nächstenliebe im Auftrag der Krankenpflege. Auf geheimnisvolle Weise waren Bernadettes und Barbaras Leben durch ihre je eigene Berufung und Sendung durch die Erscheinungen in Lourdes miteinander verbunden. Diese Verbundenheit bestätigte der Himmel mit dem Begräbnis Mutter Barbaras, das am Gedenktag von Lourdes (11.02.1905) stattfand.
Platzmangel
Nach zehnjährigem Spitalsbetrieb im Mutterhaus wurde der Platz für die Schwestern und Patienten wieder Mangelware. Die Schwesterngemeinschaft ist bereits auf 20 Mitglieder angewachsen. Betreiberin und Besitzerin des Spitals war Mutter Barbara.
Ausbau des Krankenhausbetriebs
Die großzügige Spendenbereitschaft der Bevölkerung und einiger Wohltäter, sowie weitere Eintritte ermöglichten eine ständige Erweiterung des Spitalsbetriebes. Neben dem Krankenhaus betreuten die Schwestern immer noch die Kranken zuhause und versorgten die Pfleglinge im Bürgerspital in Pöllau.
25 Jahre Blaue Schwestern
Obwohl Barbara Sicharter mit ihren Frauen seit 25 Jahren in Vorau für die Bevölkerung da waren und ein klösterliches Leben führten, waren sie weder staatlich noch kirchlich als Gemeinschaft anerkannt. Sie waren immer noch Terziarinnen des Franziskanerordens und konnten nur Privatgelübde ablegen. Trotzdem gingen sie unbeirrt ihren Weg in der Nachfolge Christi.
Ärztliche Betreuung
In den ersten Jahren seit der Spitalsbewilligung wurden im Auftrag der Bezirkshauptmannschaft Hartberg die Patienten medizinisch vorwiegend vom Wundarzt Dr. Wilhelm Sgardelli versorgt. Ihm folgte 1880 sein Sohn, Dr. Josef Sgardelli.
Ein guter Rat
1897 besichtigt der k. k. Statthalter Oliver Marquis de Bacquehem das Krankenhaus und legt unserer Gründerin nahe, das Unternehmen auf eine vereinsrechtliche Basis zu stellen, um die Gemeinschaft abzusichern.
Barbaras Ansuchen
„Die hohe k. k. Statthalterei Graz hat laut geehrten Erlasses ddo. 22. Jänner 1876… mir… die Genehmigung erteilt, in meinem Hause Nr. 101 im Markte Vorau Sieche und Kranke aufzunehmen und zu verpflegen.
Diesem Liebeswerk haben sich mehrere ledige Frauenspersonen angeschlossen, welche unter meiner Leitung, freiwillig, ohne durch Statuten gebunden zu sein, ohne Entlohnung der Pflege von Kranken und Siechen sich widmen, ja auf Verlangen in Privathäusern die Krankenpflege auf sich nehmen.
Ich ergebenst Gefertigte wünsche nun diesem Humanitäts-Werke einen festen Gehalt zu geben, damit es auch nach meinem Tode, in Zukunft fortbestehe, bin ich bereit, die beiden Häuser Nr. 101 und Nr. 10 im Markte Vorau dem neuen Verein zu diesem Zwecke der christlichen Nächstenliebe zu widmen.“
Der Stein rollt
Die Vereinsgründung hat einen Stein ins Rollen gebracht und die Sehnsucht, auch nach außen hin als Ordensfrauen erkennbar zu sein, zeitigt schon bald darauf erste Früchte. Es wurde an einer Ordenstracht gearbeitet.
Das erste Ordenskleid
Mit dem ersten Ordenskleid waren die Schwestern ihrer Zeit schon weit voraus, denn vorerst gehörten sie ja nur einem staatlichen Verein an. Kirchlich wurde der Verein gebilligt. In der Bevölkerung wurden die Krankenpflegerinnen aber bereits als Ordensfrauen betrachtet. Die neue Tracht ist eine Abänderung der Wenigzeller Festtagstracht: Das Kleid und der halblange Schulterkragen waren aus einem dunkelblauen Wollstoff gearbeitet. Dazu wurde ein weißer Halskragen und ein Schwarzer Schleier mit vorstehendem weißem Streifen getragen. Am dazugehörenden Stoffgürtel wurde der Rosenkranz getragen.
Ein schmerzlicher Verzicht
Einen unermesslichen Schmerz bereitete Mutter Barbara vor allem jener Umstand, dass sie wegen ihrer eingeschränkten Mobilität nicht mehr die heilige Messe im Stift besuchen konnte. Die Eucharistie, der Kommunionempfang, war für sie zum Mittelpunkt ihres Lebens geworden. In der Hoffnung, dass vielleicht ein Kranker versehen werden musste, und sie dadurch auch die Möglichkeit zum Kommunionempfang gehabt hätte, fastete sie oft den ganzen Tag in der Erwartung, Christus in sich aufnehmen zu können.
Unermüdlicher Liebesdienst
Ihre eingeschränkte Mobilität hindert Mutter Barbara nicht daran, soweit es ihr noch möglich war, sich aufopfernd um ihre Mitschwestern und die Patienten des „Barbara Sicharter’schen Siechen- und Krankenhauses in Vorau“.
Der Verlust ihres langjährigen Seelenführers und Ratgebers bedeutete einen tiefen Einschnitt in das persönliche Leben Barbara Sicharters wie auch in das Gemeinschaftsleben allgemein. Der Stiftspropst ernannte als neuen Seelenführer Remigius Prinz, der als väterlicher Seelsorger viel Erfahrung mitbrachte und als ehemaliger Kaplan in der Pfarre Vorau bereits mit den Schwestern vertraut war. Trotz ihres vorgerückten Alters von 70 Jahren zeigte Barbara Flexibiltät und ließ sich schnell auf den neuen Führungsstil ein.
Gottes Segen ruht auf dem Werk
Mittlerweile versorgten die Schwestern jährlich etwa 100 Patienten im Privatspital der Blauen Schwestern. Das ständige Wachstum der Gemeinschaft wie auch des Patientenzulaufes rückte erneute Baupläne ins Visier.
Finanzierung des Bauvorhabens
Die Gemeinschaft konnte nur wenige finanzielle Ressourcen aufweisen. Um den Bau zu finanzieren, waren die Schwestern auf hochherzige Spender angewiesen. Kaiser Franz Joseph, Gräfin Theodora Kottulinsky-Mayr-Melnhof, Schlossherrin Konstanze Kiendler zählen zu den namhaftesten Großspendern, ebenso wie das Steierische Landhaus oder die Bezirkshauptmannschaft Hartberg. Barbaras Jugendfreund Pfarrer Alois Maierhofer unterstützte die Schwestern mit organisatorischer und finanzieller Hilfe. Um die restliche fehlende Summe zu decken bewilligte die Statthalterei Graz den Schwestern eine landesweite Sammlung durchzuführen.
Opferbereite Nächstenliebe fordert ihren Tribut
Barbara Sicharter opferte ihr Leben für die Kranken, Armen und Leidenden auf. In mütterlicher Sorge ermutigte sie ihre Mitschwestern, die mitunter wegen der übermäßigen Arbeitslast völlig überfordert waren. Überall streckte man den Schwestern bittend und flehend die Hände entgegen. Hauskrankenpflege bedeutete damals, dass vor der Übernahme des Pflegedienstes meist ein Fußweg von vier bis sechs Stunden bewältigt werden musste. Kam eine Schwester spät abends vom Dienst zurück, musste sie häufig früh morgens schon wieder aufbrechen, um zum nächsten Kranken zu eilen. Ebenso aufwendig gestaltete sich die Pflege im Spital. Die Verweildauer der Patienten und Siechen betrug oftmals Monate bis Jahre. Die belastenden Arbeitseinsätze führten bei einigen Schwestern zur Einbuße der Gesundheit. Völlig aufgezehrt von diesem opferbereiten Liebesdienst verstarben manche Schwestern vorzeitig.
Barbaras Herzenswunsch erfüllt sich
Im Sommer 1903 wurde mit dem Umbau und der Neugestaltung der seit 1885 bestehenden Kapelle begonnen und konnte bald darauf abgeschlossen werden. Professor Patriz Meidler aus Wien, ein gebürtiger Vorauer, verlieh der Kapelle ihr würdiges Aussehen. Fürstbischof Dr. Leopold Schuster erteilte den Schwestern am 23. September 1903 die Erlaubnis, in ihrer Hauskapelle das Allerheiligste aufbewahren zu dürfen. Außerdem wurde ihnen gestattet, täglich eine heilige Messe zu feiern. Bis zur Feier der ersten heiligen Messe musste noch etwas Zeit verstreichen, weil für die Feier der Liturgie noch einige Anschaffungen notwendig waren. Wiederum verdankten es die Schwestern großzügigen Wohltätern, dass die benötigten Paramente sowie fehlende Kirchenausstattung angeschafft werden konnte.
Mutter für alle
Barbara wurde nicht nur von ihren Schwestern als Mutter angesprochen, auch in der Bevölkerung wurde sie als Mutter geehrt und geliebt. Überall schätzte man Barbaras liebevolles Wirken, das ganz auf Gott ausgerichtet war. Selbst kleinste Dienste, die man ihr erwies, belohnte sie mit einem warmen Lächeln. Im Laufe der Zeit wurde ihr Namenstag zum Anlass, Barbara zu Ehren mit Geschenken in Form von Naturalien, die im Krankenhaus dringend benötigt wurden: Stoffe, Lebensmittel, Wäsche, Küchenbedarf – sie landeten zu ihrem Namenstag in rauen Mengen auf dem „Gabentisch“ der Gründerin. Mit dankbarer Freude nahm sie die Geschenke entgegen, welche sie umgehend den Kranken und Armen zugute kommen ließ.
Die Eucharistie als kirchliche Würdigung
Das Zugeständnis, dass die Schwestern das Allerheiligste in der Kapelle aufbewahren dürfen und die Messerlaubnis sind in gewisser Weise auch als eine kirchliche Würdigung des Wirkens der Blauen Schwestern zu verstehen. Mit Hilfe vieler konnte Christus im Sakrament des Altares ein würdiges Umfeld geschaffen werden.
Über die Anschaffung der Heiligenfiguren und die Ausstattung der Kapelle berichtet unsere Chronik folgendes: „Der Altar mit der Statue der Unbefleckten Empfängnis war ein Geschenk des Fräuleins Konstanzia Kiendler. Die Statue des hl. Josef kaufte Fräulein Kajetane Englhofer; die beiden Statuen Herz Jesu und Herz Maria kaufte Schw. Theresia Haas; die Statue des hl. Ordenspatrones Franziskus kaufte Schw. Barbara. Herr Professor Patriz Maidler aus Wien, ein gebürtiger Vorauer, führte die Malerei in der Kapelle aus. Die gemalten Fenster, das eine mit den Bildern des hl. Karl Barromäus und der hl. Barbara als Namenspatrone der Gründer und das andere mit den Bildern des hl. Aloisius und der hl. Klara sind Geschenke das Herrn Maidler.“ Den Großteil der Altarausstattung spendete Anna von Steinberg, eine Arzttochter aus Graz.
Es ist vollbracht
Fast vierzig Jahre hat Mutter Barbara das Spital und die Schwesterngemeinschaft durch alle Höhen und Tiefen geführt. Ihr kindliches, festes Vertrauen in die Fürsorge Gottes gab den Menschen um sie herum eine große Sicherheit. Viele schwere Entscheidungen hatte sie zu treffen. Klug und besonnen urteilte und entschied sie, was zu tun sei. Nicht nur ihre Mitschwestern, auch jene Menschen, die ihr anvertraut waren oder einen guten Rat bei ihr suchten, leitete sie dazu an, im vertrauensvollen Gebet alles von Gott her zu erbitten. Bis zuletzt humpelte sie auf Krücken gestützt durch das Haus und Spital, um zu sehen, ob es allen gut ging und niemandem etwas fehlte. Mit mütterlicher Umsicht sah sie jeden Mangel und suchte ihn zu beheben. Sie war stets bemüht, das Krankenhaus auf den neuesten medizinischen Stand aufzurüsten, legte großen Wert auf die Einhaltung der Hygienevorschriften und vermittelte den Schwestern den Krankendienst als ihre eigentliche Mission. Nicht Gewinn und Entlohnung, sondern Hingabe und Opfer waren das Ziel ihres Handelns und Strebens.
Am Ende ihres Lebens konnte Barbara Sicharter wie Jesus sagen: „Es ist vollbracht.“ Das Werk stand auf einem festen Fundament, die Schwestern waren abgesichert, der eucharistische Herr als Quelle und Mittelpunkt des klösterlichen Lebens weilte im Tabernakel unter ihnen. Auch eine Empfehlung für die Wahl ihrer Nachfolgerin konnte sie den Schwestern hinterlassen. Im Volk verehrte man sie als Heilige, den Schwestern war sie ein nachahmenswertes Vorbild im Gebetseifer, im Gottvertrauen und in der opferbereiten Hingabe im Dienst an den Armen und Leidenden. Barbara, die selbst eine sonnige Frohnatur besaß, erzog die Schwestern, mehr durch ihr Beispiel als mit Worten, zu lebensfrohen Menschen.
Aufbrechen zu Christus
Am 04. Dezember 1904 feierte Barbara ihren 75. Geburtstag mit großer Heiterkeit. Ihr Fußleiden hinderte sie nicht daran, fröhlich zu sein. In der darauffolgenden Zeit verbrachte sie die Tage wie gewohnt: Sie sorgte sich um das Wohlergehen der Schwestern und Patienten und verbrachte viel Zeit im Gebet in der Kapelle oder saß betend beim warmen Ofen und nahm an den gemeinschaftlichen Tageszeiten mit aufmerksamen Interesse teil.
Anfang Februar 1905 erkrankte Barbara. Am 04. Februar wurde eine Lungenentzündung festgestellt und jene Schwestern, die außer Haus ihren Dienst versahen wurden über den sich laufend verschlechternden Gesundheitszustand der Gründerin informiert. Schwestern und Hausleute beteten und fasteten, um die Genesung Barbaras zu erbitten. Aber Gott entschied anders. Am 07. Februar rechnete man bereits mit dem Ableben der Gründerin. Stiftsprpost Benno Bieracher spendete die Sterbesakramente, welche Barbara noch bei vollem Bewusstsein mit großer Andacht empfangen konnte. Bald darauf trübte das Fieber ihr Bewusstsein. Am 08. Februar verlor Mutter Barbara gegen Abend auch die Fähigkeit zu sprechen. In der Nacht litt sie an beängstigender Atemnot.
Im Rufe der Heiligkeit
Mutter Barbara hegte eine besondere Verehrung zu Anna Katharina Emmerich. Annas Niederschriften ihrer Schauungen im Buch „Das arme Leben unseres Herrn Jesu Christi“ formten Barbaras Innenleben tiefgreifend. Es war ihr Lieblingsbuch. Diese geistliche Verbindung der beiden Frauen scheint der Himmel mit dem Todestag der Gründerin zu bestätigen: Barbara starb am heutigen Gedenktag Anna Katharinas.
Barbaras Leben und Wirken strahlte über Vorau hinaus und war in der ganzen nordöstlichen Steiermark bekannt. Niemand zweifelte an ihrem lauteren Tugendleben oder an ihrem selbstlosen Liebeswirken. Es herrschte die Überzeugung, dass sie eine ungewöhnlich große Tugendhöhe erreicht hatte. Ihre innere Überzeugung über das christliche Vorbild Mutter Barbaras fassten die Menschen in dem einfachten Satz zusammen: „So könnte eine Heilige ausschauen!“ Dr. Mühlbauer, ärztlicher Leiter der „Barbara Sicharter’schen Kranken- und Siechenanstalt“ war überzeugt, dass Barbara eines Tages seliggesprochen wird.
Am 09. Februar 1905, dem Sterbetag der Gründerin, verbreitete sich das Ableben Barbaras schnell im Ort. In unserer Chronik heißt es: „Wie sehr Schwester Barbara geliebt und geschätzt war, zeigte der fast ununterbrochene ehrfürchtige Zutritt zu ihrer Bahre, wie zum Grabe einer Heiligen.“
Barbara - ein Marienkind
Zwei Tag nach ihrem Ableben, am 11 Februar, dem Gedenktag der Erscheinungen von Lourdes, wurde Barbara Sicharters Leib der Erde übergeben. Auch hier ist ein Augenzwinkern des Himmels zu erkennen. Die Verehrung der Unbefleckten Empfängnis gab dem Gemeischaftsleben der Blauen Schwestern ihre vorrangige spirituelle Prägung. Die mütterliche und vertrauensvolle Lebenshaltung Barbaras ist von der Betrachtung der reinsten Jungfrau und Gottesmutter Maria herzuleiten. Wie Maria hat auch Barbara jederzeit ihr Fiat zum Willen Gottes gesprochen.
Sr. Josefa Schweitzer
Geboren wurde die neue Oberin in Neudau am 10. November 1862, zweieinhalb Jahre vor der Gründung der Gemeinschaft. Sie wurde auf den Namen Elisabeth getauft. Ihr Vater stand im Dienst der gräflichen Familie Kottulinsky, die unserer Familie viel Gutes getan hat.
Am 03. Oktober 1899 trat Josefa 37-jährig bei den Vorauer Schwestern ein. Sie war gelernte Schneiderin und brachte diese Fähigkeiten in den Orden ein. Gut ein Jahr nach ihrem Eintritt feierte sie am 23. März 1901 ihre Einkleidung und erhielt den Namen Sr. Elisabeth. Mutter Barbara erkannt sehr schnell das Geschick dieser neuen Schwester und schlug sie, obwohl sie erst wenige Jahre in der Gemeinschaft lebte als ihre Nachfolgerin vor. Bei den Schwestern war Sr. Josefa wegen ihrer Herzensgüte sehr beliebt.
Sr. Josefas schwache Gesundheit warf immer wieder einen leisen Schatten über ihre Amtszeit. In wirtschaftlichen Belangen zeigte sie wenig Erfahrung, auch wird ihr mangelnde Sicherheit und Festigkeit nachgesagt. Aber Gott schaut tiefer, denn trotz dieser unvorteilhaften Anlagen gelang es Sr. Josefa, die Gemeinschaft durch die politisch und wirtschaftlich schwierige Zeit der Kriegs- und Nachkriegsjahre (I. Weltkrieg) zu führen. 22 Jahre wird sie der jungen Gemeinschaft vorstehen und die Weichen für die Zukunft stellen.