Statue der Gottesmutter
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5. Ostersonntag – Aufbruch in die Heimat (18.05.2014)

Wer nicht weiß, wie er sein Ziel erreichen soll, muss nach dem Weg fragen. Im heutigen Evangelium (Joh 14,1-12) sind es die Apostel, die den Weg zum Haus des Vaters, in dem es viele Wohnungen gibt, nicht kannten. Aber niemand wollte sich die Blöße geben. Thomas nahm sich ein Herz und fragt den in Rätseln sprechenden Meister, der im Begriff war, sie zu verlassen: „Herr, wir wissen nicht, wohin du gehst. Wie sollen wir dann den Weg kennen?“ Aber mit seiner Antwort legte Jesus ihnen wohl eine neue Denkaufgabe zum Grübeln vor:

„Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater außer durch mich.“ (Joh 14,6)

„Wenn ihr mich erkannt habt, werdet ihr auch meinen Vater erkennen. Schon jetzt kennt ihr ihn und habt ihn gesehen.“ Philippus war es zwar klar, dass er wie Jesus zum Vater gehen muss.

Aber wo findet er ihn? Also stellte er seinem Meister eine einfache Frage, in der Hoffnung auf eine schnelle Lösung: „Herr, zeig uns den Vater; das genügt uns.“ Das klingt sehr bescheiden und genügsam, vielleicht in der Erwartung, dass das Rätselraten endlich ein Ende hat. Aber statt einer einfachen Lösung erhielt er einen Tadel und eine neue geheimnisvolle Antwort: „Schon so lange bin ich bei euch und du hast mich nicht erkannt, Philippus? Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen. Wie kannst du sagen: Zeig uns den Vater?“ Oft meint man, sehr schlau zu sein, zumindest schlauer als sein Gegenüber, und muss dann feststellen, dass man wie ein begossener Pudel dasteht.

Auch für Jesus musste das Unverständnis der Jünger eine herbe Enttäuschung sein. „Wenn ihr mich erkannt hättet, würdet ihr auch meinen Vater erkennen.“, ist in anderen Übersetzungen zu lesen. Das Erkennen seines wahren Wesens war das Problem. Der Geist der Jünger, noch nicht vom Heiligen Geist erfüllt, konnte seine Gottheit nicht erfassen und damit auch nicht verstehen, dass der Vater im Himmel tatsächlich – und zwar dem Wesen nach – sein Vater war. Mit einer flehentlichen Bitte startet Jesus noch einen Versuch, seine Identität verständlich zu machen: „Glaubst du nicht, dass ich im Vater bin und dass der Vater in mir ist? Die Worte, die ich zu euch sage, habe ich nicht aus mir selbst. Der Vater, der in mir bleibt, vollbringt seine Werke. Glaubt mir doch, dass ich im Vater bin und dass der Vater in mir ist; wenn nicht, glaubt wenigstens aufgrund der Werke!“ Als Mensch konnte Jesus keine großen Werke vollbringen. In seiner Menschheit ist er uns gleich geworden und auf einen Gott angewiesen, der ihm das Leben schenkte. Deshalb konnte er uns den Weg zum Vater vorausgehen. Dieser Weg ist ein geistlicher und physischer Weg gleichermaßen. Durch Kreuz und Tod führt der schmale Pfad mit Leib und Seele durch die enge Tür ins Vaterhaus. „Euer Herz lasse sich nicht verwirren. Glaubt an Gott und glaubt an mich!“, mahnt Jesus. Die Kirche, gegründet auf die zwölf Apostelfürsten, hat sich nicht verwirren lassen. Sie „bekennt das Erbarmen Gottes, sie lebt davon in ihrer reichen Glaubenserfahrung und auch in ihrer Lehre, indem sie unablässig Christus betrachtet und sich auf ihn ausrichtet, auf sein Leben und sein Evangelium, auf sein Kreuz und seine Auferstehung, auf sein Geheimnis insgesamt. Alles was zur „Anschauung“ Christi im lebendigen Glauben und in der Lehre der Kirche gehört, bringt uns der „Anschauung des Vaters“ in der Heiligkeit seines Erbarmens näher.“ (Enzyklika Dives in Misericordia)

Das Streben nach der Anschauung des Vaters ist das Ziel unseres Lebens. In der Anbetung und im Betrachten des Wortes Gottes einerseits und in unseren „geringsten Brüdern“ finden wir schon hier auf Erden das Antlitz Christi, das im Vater geborgen ist und in dem der Vater sich widerspiegelt: „Ich und der Vater sind eins!“ Es ist Jesu ausdrücklicher Wunsch, dass wir eins werden mit ihm, wie er und der Vater eins sind. Wenn wir in diese Einheit gefunden haben, wird Jesus Verheißung sich an uns erfüllen: „Wer an mich glaubt, wird die Werke, die ich vollbringe, auch vollbringen und er wird noch größere vollbringen, denn ich gehe zum Vater.“ In dieser Verheißung wird größte Tugend ersichtlich: die Demut, denn er überlässt es uns armen Menschenkindern, die größten Werke zu vollbringen. Er wahrer Gott und wahrer Mensch hat sie nicht vollbracht und waren seine Wunder noch so hervorragend. Wenn wir eins mit dem Dreifaltigen Gott sind, wird Gott durch uns noch größere Wunder vollbringen. Wozu? Um Gott zu verherrlichen, Zeugnis für sein Erbarmen zu geben und damit vielen Seelen den Weg ins Vaterhaus zu zeigen. Wer den Vater kennt, hat keine Angst vor dem „Heimgehen“. Aber für die ganze Wegstrecke muss uns Jesu Wort im Ohr bleiben: „Euer Herz lasse sich nicht verwirren.“ Das bedeutet unter anderem, der Versuchung zum Zweifel keinen Raum geben und stets neu den Blick von sich selbst abwenden und stattdessen unentwegt auf das Antlitz Gottes zu heften.