Statue der Gottesmutter
Menü

Abend der Barmherzigkeit (05.09.2014)

Wiederum durften wir einen sehr bewegenden Barmherzigkeitsabend erleben. Das Erbarmen Gottes ist unerschöpflich und absolut notwendig für unser ewiges Heil, wie auch für die Bewältigung des ganz normalen Alltags. Gott möchte mit uns sein, möchte helfend eingreifen in unser Leben.

Prof. Dr. Hansjörg Rigger, der dem heutigen Abend vorstand, sagte in der Predigt: „Der Glaube wird uns retten! Entdecken wir die Schönheit unseres Glaubens! Gehen wir diesen Weg gemeinsam! Unterstützen wir uns gegenseitig im Gebet, in den kleineren und größeren Opfern unseres täglichen Lebens! Fasten wir für den anderen!“ Dieses gegenseitige Getragenwerden wird in der familiären Gebetsgemeinschaft unserer Barmherzigkeitsabende immer wieder spürbar. Es ist jedes Mal ein Heimkommen, weil wir am Herzen Jesu, dem alle Gnaden entspringen, zu hause sind.

Einleitung zur Heiligen Messe

Lieber Brüder und Schwestern!

Vielleicht haben Sie es schon vernommen. Ich komme nicht aus dem Süden und nicht aus Vorarlberg oder Nordtirol, sondern aus Südtirol. Wir in Tirol insgesamt verehren das Herz Jesu sehr! Und da gibt es nicht nur ein eigenes Herz Jesu Fest, sondern auch einen eigenen Herz Jesu Sonntag. Und am Abend dieses Sonntags – das war für uns Kinder immer der Höhepunkt im ganzen Jahr – da werden Bergfeuer entzündet. Das geht zurück auf das Ende des 18. Jahrhunderts. 1796 haben sich die Tiroler dem heiligsten Herzen Jesu verlobt. Aber das will ich Ihnen gar nicht erzählen.

Denn es war an einem Herz Jesu Sonntag, wie wir sagen, da kam ein Mitbruder von mir aus Augsburg, wir hatten uns im Studium im Priesterseminar kennen gelernt, auf Besuch. Ich hole ihn am Abend ab und damals war das noch keine verkehrsberuhigte Zone. Er steigt bei mir ins Auto ein, wir fahren los und er sagt zu mir: „Du, Hansjörg, ich hab ein neues Herz!“ Was sollte ich mir dabei denken? Ich sagte zu ihm: „Hast Du Dich bekehrt?“ „Nein!“, sagt er, „Ich hab ein neues Herz!“ Ich dachte mir: bekehrt hat er sich nicht, was ist mit ihm passiert? Und er sagt es noch einmal: „Hansjörg, ich hab ein neues Herz!“ Und ich wurde stutzig und er erklärt mir: „Weißt du, vor ein paar Monaten wurde mir ein neues Herz implantiert. – Und seitdem lebe ich wieder!“

Lieber Brüder und Schwestern!

Schauen sie jetzt alle auf dieses (Herz-Jesu) Bild hier vorne. Ich hatte heute das Glück bei einer Anbetung eine halbe Stunde vor diesem Bild knien zu dürfen!

Da ist Jesus, der sein Herz in der Hand hält, als wollte er es uns reichen.

Bitte glauben Sie mir, es ist nicht einfach an ein neues Herz zu kommen! Und wenn dieses Herz fast nicht mehr schlägt, man keine Stiegen mehr gehen kann, kaum mehr aufstehen und wenn man nur mehr wenige Tage zu leben hat, und plötzlich kommt der Anruf: „Wir haben jetzt ein Herz für Sie! Machen Sie sich bereit, wir holen Sie ab. Wenn Sie möchten, dürfen Sie vom OP aus noch irgendjemand anrufen!“ Ich habe meinen Mitbruder gefragt: „Wen hast du angerufen? Deine Eltern, deine Geschwister?“ „Nein, ich habe bei Schwestern angerufen und gesagt: ‚Bitte beten Sie für mich’“

Aber dieser Jesus, der hält uns heute ein Herz hin.

Er hätte eines für uns! Brauchen Sie ein neues Herz? Ein Herz ohne Verkrustungen? Ein Herz ohne Verhärtungen? Ein Herz, das Sie aufleben lässt? Ein neues Herz? Ein Herz nicht aus Stein, sondern aus Fleisch? Er hält es Ihnen hin. Er hält es mir hin. Nehmen wir es an? Ein neues Herz? Beginnen wir diese Eucharistiefeier mit viel Demut in unserem Herzen.

Aus dem Evangelium nach Lukas 5,33-38

Da kamen die Leute zu Jesus und sagten zu ihm: Die Jünger des Johannes fasten und beten viel, ebenso die Jünger der Pharisäer; deine Jünger aber essen und trinken. Jesus erwiderte ihnen: Könnt ihr denn die Hochzeitsgäste fasten lassen, solange der Bräutigam bei ihnen ist? Es werden aber Tage kommen, da wird ihnen der Bräutigam genommen sein; in jenen Tagen werden sie fasten. Und er erzählte ihnen auch noch ein Gleichnis: Niemand schneidet ein Stück von einem neuen Kleid ab und setzt es auf ein altes Kleid; denn das neue Kleid wäre zerschnitten und zu dem alten Kleid würde das Stück von dem neuen nicht passen. Auch füllt niemand neuen Wein in alte Schläuche. Denn der neue Wein zerreißt die Schläuche; er läuft aus und die Schläuche sind unbrauchbar. Neuen Wein muss man in neue Schläuche füllen. Und niemand, der alten Wein getrunken hat, will neuen; denn er sagt: Der alte Wein ist besser.

Predigt zum Abend der Barmherzigkeit Prof. Dr. Hansjörg Rigger

Ein bisschen nachvollziehen können wir es schon, dass da welche sind, die sagen: „Die Jünger des Johannes fasten und beten viel! Und die Jünger der Pharisäer auch! Deine Jünger aber essen und trinken!“ Locker vom Hocker, hat man den Eindruck, nichts mit Fasten. Ja, das kennen wir. „Wenn ich faste, dann hast du auch zu fasten! Wenn wir fasten, dann sollen es doch auch die anderen tun!“ „Gea Mama, hea recht auf!“, sagen wir bei uns im (südtirolerischen) Dialekt. „Des mit’n Fascht’n!“ Das deckt zunächst nur etwas Menschliches auf: „Ich tu es, dann sollen es gefälligst die anderen auch machen!“

Jesus will uns etwas deutlich machen. Er bezieht sich darin auf eine Hochzeit. In der Tora, im Gesetzbuch der damaligen Zeit – sagen wir es einmal so – da war festegelegt: selbst wenn die Hochzeit in die Fastenzeit fällt, selbst wenn der Hochzeitstag ein Fasttag wäre, dann sind alle entpflichtet! Das Fasten ist aufgehoben! Das Fest, die Freude hat Vorrang! Und Jesus sagt, dass solange der Bräutigam da ist, die Hochzeitsgäste nicht fasten können. Und er spricht dann von Tagen, die kommen werden, da wird ihnen der Bräutigam genommen sein. In jenen Tagen werden sie fasten. Wir denken an den Tod Jesu am Kreuz. Wir denken an den Karfreitag. Wir denken an seinen kurzen Aufenthalt im Grab, sagen wir einmal Karsamstag. Und das sind bis zum heutigen Tag Fasttage. Nicht mehr für uns Christen, wenn wir uns am Karfreitag mit Fisch voll fressen und mehr essen als an allen anderen Tagen. Und am Karsamstag haben wir schon das Ostermahl im Kopf.

Liebe Brüder und Schwestern!
Wenn Ihnen der Bräutigam genommen ist, dann werden Sie fasten! Wenn Ihnen Christus abhanden gekommen ist, wenn Ihnen Gott abhanden gekommen ist, dann werden Sie fasten. Ja, Sie werden es vielleicht nicht tun, sollten es aber!

Blicken wir in unsere Welt hinein. Wie vielen Menschen ist Gott abhanden gekommen? Wie vielen ist der Bräutigam genommen? Da werden sie, da sollten sie fasten. Mitten in einer Welt, in der der Glaube abhanden gekommen ist, in der Gott abhanden kommt, sollten wir durchaus wieder den Mut haben zu fasten! Aber bitte tun wir es nicht aus Gesundheitsgründen! Tun wir es nicht in einer Fastenklinik! Tun wir es freiwillig im Verborgenen! Tun wir es für die Rettung der Seelen! Warten Sie nicht darauf, bis Ihre Kinder es tun! Ihre Enkelkinder. Tun Sie es selber! Tun Sie es für sie! Damit Ihre Kinder wieder zum Glauben zurück finden. Damit Ihre Kinder wiederum den Weg finden. Damit Ihre Kinder gerettet werden!

Liebe Brüder und Schwestern!
Es ist jedes Jahr dasselbe, wenn ich Allerheiligen noch spät am Abend nach Hause fahre, dann sehen unsere Südtiroler Straßen fast wie Friedhöfe aus. Entlang allen Straßen Kerzen über Kerzchen an all jenen Stellen – und es gibt bei uns ganz viele – wo junge Menschen meist tödlich verunglückt sind. Und ich denke mir oft – ich habe jetzt unwillkürlich solche Bilder vor Augen – Ecken, Straßenabschnitte wo ich weiß, da steht ein Kreuz, dort steht ein Kreuz, da eines, da ein Lichtchen. Und ich denke oft und unwillkürlich: „Wie sind diese Menschen gestorben? Vorbereitet? War das ein guter Tod? Eine gute Sterbestunde?“

Eltern machen sich mit Recht Sorgen um die Zukunft ihrer Kinder. Eltern mühen sich ab, um ihnen vielleicht etwas zu hinterlassen. Eltern möchten, dass die Kinder eine Schule besuchen, eine Ausbildung haben, morgen einmal Geld verdienen und eine eigene Familie erhalten können. Und das ist wichtig! Aber Eltern heute müssen sich mehr Sorgen machen auch um das Heil der Seelen ihrer Kinder. Sorgen darüber, dass die Kinder nicht verloren gehen!

Es werden Tage kommen, da wird ihnen der Bräutigam genommen sein. In jenen Tagen werden sie fasten. Denn was tun wir ohne diesen Bräutigam, was tun wir ohne Christus? Was tun wir ohne den, der für uns am Kreuz sein Leben gegeben hat? Was tun wir ohne die Eucharistie, was tun wir ohne die Beichte, ohne die Sakramente? Ja was tun wir?

Vielleicht gibt es einige, die es nicht einmal merkten, würde sich Gott klammheimlich verabschieden. Aber Jesus in seiner unendlichen Güte und Barmherzigkeit möchte uns jetzt ein bisschen Mut machen. Und er wählt dabei ein Gleichnis, dass es uns nicht gerade leicht macht. Aber ich glaube jetzt am Abend tue ich mich leichter das zu erklären, als am Morgen den Schwestern. Wissen Sie warum? Weil Sie alle so bunt gekleidet sind. Und ich würde jetzt die am buntesten Gekleidete herausholen – aber haben Sie bitte keine Angst – und stellen wir uns vor, wir würden von diesem bunten Kleid ein Stück herunter schneiden um das Ordenskleid einer Schwester ein bisschen aufzumotzen. Die Dame mit dem bunten Kleid würde dann sagen: „Das ist mir ganz peinlich, ich gehe dann mit einem Loch im Kleid nach Hause! Das Kleid ist zerstört!“ Und bei der Schwester würde darauf kommen: Das macht aus ihr auch nicht ein bessere Schwester. Auch wenn sie ein bisschen bunter daher käme.

Jesus will uns damit etwas sagen. Er möchte uns sagen: In unserem Leben im Glauben, in unserem Leben als Christen, darf es das Flickwerk nicht geben! Es darf keine Halbheiten geben! Ein bisschen das, ein bisschen jenes, immer nur ein bisschen, bitte nie zuviel!

Was meinen Sie, wie das bei uns zuhause zugegangen ist? Es wurde jeden Tag konsequent der Rosenkranz gebetet. „Aber der ist so lang!“, haben wir Kinder gesagt.

„Könnte man nicht ein bissel weniger, würde es nicht mit einem Gsatzl reichen?“ Sehen Sie, das ist Flickwerk. Ein Stückchen runter schneiden und wo anders dazukleben und schon meinen wir, wir sind andere Menschen. Das sitzt in uns ganz tief. Das sitzt ganz tief. Was tun wir nicht jeden Tag. Ein bisschen drapieren und schon meinen wir, es ist alles anders! Natürlich verstehe ich, dass man sich ab einem gewissen Alter nicht den Hals ansehen muss. Aber meinen Sie wirklich, dass der Schal, den wir dann herumbinden, dass uns der jünger macht? Dass uns der einen Tag mehr an Leben schenkt? Wenn ich noch genug Haare hätte, meinen Sie ich werde jünger, wenn ich mir Gel rauf streiche? Aber das ist unsere tägliche Mentalität, das wird uns überall angeboten. Vitalität, Jugend so viel Sie wollen, Sie brauchen nur Geld investieren. Aber verlängert das unser Leben auch nur eine Sekunde? Nein, ich stehe hier vor Ihnen und weiß wovon ich spreche. Morgen wird es zwei Wochen, dass meine Mutter begraben wurde. Ich hätte alles getan, um ihr Leben auch nur einen Tag zu verlängern! Aber am Ende, als sie schon längst irreversibel im Koma war, haben wir alle gebetet: „Herr, bitte, hole sie heim!“

Liebe Brüder und Schwestern!
Den Glauben kann man nicht drapieren. Glaube ist keine Maske, er ist keine Schminke. Glauben können wir nur leben. Und Jesus möchte sagen: Ihr müsst das neue Kleid anziehen! Ihr müsst Christus anziehen!

Hören Sie was jeden Tag passiert in der Welt draußen? Hören Sie was im Irak beispielsweise passiert? Passiert das irgendwann auch bei uns? Natürlich hoffen wir nicht, aber sicher wäre ich mir nicht! Wir Christen müssen wieder aufwachen! Nicht zu den Schwertern greifen, aber aufwachen und als Christen in dieser Welt leben! Farbe bekennen, dass wir Christen sind! Die Schwäche von uns Christen ist unsere Lauheit! Christus ganz anziehen und das alte Kleid, den alten Menschen sausen lassen! Der alte Mensch ist der, der auf eigene Kräfte sein Leben aufbaut. Der meint: „Ich kann alles selbst machen! Da brauche ich niemanden, schon gar nicht Gott!“

Liebe Brüder und Schwestern!
Christus als Kleid anziehen, davon kann ich mir nicht irgendein Stück abschneiden und es mir irgendwo hinkleben. Wir Christen sind aufgerufen unser Christ sein ernst zu nehmen. Als Mitte der neunziger Jahre Johannes Paul II in der Nachbarschaft von uns, in Trient war und sich mit sehr vielen Jugendlichen getroffen hat – ich kann mich noch gut erinnern, ich war selbst da – schüttete es aus vollen Eimern. Der arme Mann saß da oben und sah diese Jugendlichen, die alle durchnässt waren. Er gab als erstes seine Predigt dem Sekretär, schaute zu den Jugendlichen hinunter und sagte zu ihnen: „Ich werde es mit euren Müttern zu tun kriegen, denn Ihr kommt alle mit einer dicken Grippe nach Hause!“ Und dann sagte er diesen Jugendlichen Mitte der neunziger Jahre: „Ich muss Euch eines sagen. Viele von Euch, die Ihr jetzt jung seid, werden im dritten Jahrtausend zu Märtyrern!“ Ich war selber unter diesen Jugendlichen nicht mehr als Jugendlicher, aber es hat mich schwer betroffen! Ich dachte mir: „Ist das jetzt ein prophetisches Wort? Was sagt der Papst?“

Liebe Brüder und Schwestern!
Der Glaube wird uns retten! Seien wir froh, dass wir diesen Glauben haben! Lassen wir uns diesen Glauben immer wieder neu schenken! Entdecken wir die Schönheit unseres Glaubens! Gehen wir diesen Weg gemeinsam! Unterstützen wir uns gegenseitig im Gebet, in den kleineren und größeren Opfern unseres täglichen Lebens! Fasten wir für den anderen! Und Sie wissen, Fasten tut man nicht nur mit Brot und Wasser. Fasten kann man auch mit Fernsehen. Fasten kann man auch mit Internet. Fasten kann man auch mit dem Handy. Auch das ist ein Fasten, weil es uns etwas kostet! Weil wir uns überwinden müssen! Weil wir durch diese Spielereien, wenn wir sie mal weglassen, Zeit gewinnen! Zeit gewinnen für IHN! Weil eine Familie dann nicht auf den Fernseher glotzt, sondern weil man sich einmal eine halbe Stunde gegenseitig angucken kann.

Liebe Brüder und Schwestern!
Jesus fügt dann noch hinzu – und ich denke mir, das passt gut in die Steiermark, ich würde in die Südsteiermark gehen um Wein zu kaufen, eine ganze Ladung guten Wein – auch füllt niemand alten Wein in neue Schläuche. Jesus möchte sagen, dass der neue Wein damals ein noch nicht ausgegärter Wein war. Ein Wein, der noch gearbeitet hat. Ein explosiver Wein würde man sagen. Aber Jesus sagt, wer zum Glauben kommt und diesen Glauben annimmt, der nimmt etwas Lebendiges an, etwas das nicht ruht, etwas, das explosiv ist. Und dieser neue Wein gehört nicht in alte Schläuche. Auch hier wiederum sagt er uns: Wir müssen wieder neu werden! Wir müssen uns verwandeln lassen! Und er tut es! Das wesentliche der Messe ist die Verwandlung! Und ganz zum Schluss sagte er dann – und auch das können wir nachvollziehen – und niemand, der alten Wein getrunken hat, will Neuen. Gut, steirische Weißweine trinkt man jung. Aber einen Bordeaux trinkt man alt. Und Jesus möchte sagen: wer alten Wein getrunken hat, der ausgeglichen ist, harmonisch, rund, ja, der könnte schon in der Versuchung sein zu sagen: „Neuen will ich keinen mehr, ich bleibe beim Alten!“

Ja liebe Gläubige, so sind wir! Uns von Jesus stören lassen, dort, wo wir es uns gemütlich eingerichtet haben, da bleiben wir lieber beim alten Wein. Wer weiß, was dieser neue Wein in meinem Leben noch alles anrichtet? Amen.