Statue der Gottesmutter
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Abend der Barmherzigkeit (05.12.2014)

Eine geringfügige Änderung gibt es beim Abend der Barmherzigkeit seit heute: Wir haben himmlische Gebetsverstärkung bekommen in Form einer Reliquie der heiligen Sr. Faustyna Kowalska, die als „Sekretärin der göttlichen Barmherzigkeit“ für die mitgebrachten Anliegen am Herzen Gottes kräftig Fürsprache hält.

Eine Frage an unser eigenes Herz richtete Prof. Dr. Rigger in der Predigt, in der er das Evangelium über die beiden Blinden auslegte, die Jesu Vorübergang wahrgenommen haben. Er fragte: „Wir sind Sehende, und was nehmen wir von ihm wahr? Habe ich heute etwas von Gott in meinem Leben wahrgenommen?“ Zweifelsohne eine Frage, die sich jeder täglich stellen sollte, denn, so führte er weiter aus, „Jesus geht an uns vorüber und er möchte, dass wir ihm nachgehen. Er möchte, dass wir nicht locker lassen. Er möchte, dass auch wir schreien: »Hab Erbarmen mit uns!«“

Gottes Erbarmen ist grenzenlos und wird nicht versiegen. Immer hält er es für uns bereit. Der Abend der Barmherzigkeit ist eine gute Gelegenheit, sich darauf zu besinnen, sich Zeit zu nehmen für den, der immer für uns Zeit hat. Wir dürfen darauf vertrauen, dass Sr. Faustyna in Zukunft mit uns gemeinsam beim Abend der Barmherzigkeit um Gottes erbarmende Liebe für uns und die Nöte der Welt beten wird. Bis auf diese kleine, erfreuliche Neuerung, dass eine Reliquie dieser bedeutenden Fürbitterin zur Verehrung aufgestellt sein wird, werden wir den Abend der Barmherzigkeit in gewohnter Weise auch im Jahr 2015 anbieten. Das Programm finden Sie hier. „Misericordia“ heißt es im Neuen Jahr wieder am 2. Jänner 2015.

Predigt vom Abend der Barmherzigkeit

Prof. Dr. Hansjörg Rigger

Liebe Brüder und Schwestern! Machen Sie mir bitte einmal einen Gefallen und schließen Sie ganz fest Ihre Augen. Ich sage es ihnen, wann es anfängt und ich sage es Ihnen, wann es aufhört. Dauern tut es nicht lange – und ich mache sie auch zu, damit Sie nicht Angst haben, ich würde Sie jetzt unverschämt anstarren. Also, machen Sie jetzt Ihre Augen ganz zu, so gut Sie es vermögen. Ich mache es auch. – Sie können die Augen jetzt wieder aufmachen. Vielleicht meint jetzt die eine oder der andere von Ihnen, jetzt wissen Sie ungefähr wie das ist, wenn man blind ist.

Aber blind sein ist ganz anders, denn Sie haben noch ein Licht wahrgenommen, durch die Augenlider hindurch. Sie haben gemerkt, dass hier Licht ist. Und würden Sie an einem sonnigen Sommertag rausgehen, dann würden Sie genau merken, wo Schatten ist; würden Sie unter einer Laube durchgehen und immer wieder die Stangen, wo die Rebe festgemacht ist, einen Schatten werfen, Sie würden fast zusammenzucken, so deutlich würden Sie wahrnehmen, dass hier ein Schatten ist. Nein, Blindheit ist ganz anders. Blindheit ist totale Dunkelheit, totale Finsternis. Ich sage Ihnen das, weil ich selbst mit dem Blindenapostolat in unserer Diözese zusammenarbeite, weil es im Blindenapostolat eine Kamillianische Familie gibt, und weil ich der geistliche Assistent dieser Kamillianischen Familie bin, und weil ich deswegen fast jeden Tag, wenn ich zuhause bin, mit Blinden zu tun habe. Und diese Blinden im Blindenzentrum in Bozen haben ein Dunkelrestaurant eingerichtet. Und da kann man sich zum Essen melden, es ist immer ausgebucht über Monate hinweg. Und man kann sich dort melden und man merkt dann erst, was es heißt, blind zu sein. Absolute Finsternis.

Zwei Blinde werden uns heute im Evangelium vorgestellt, die in der totalen Dunkelheit lebten, die nichts wahrnahmen, außer, – ja, was haben sie wahrgenommen? Was haben sie wahrgenommen von diesem Jesus von Nazareth?

Wir sind Sehende und was nehmen wir von ihm wahr? Habe ich heute etwas von ihm wahrgenommen? Habe ich heute etwas von Gott wahrgenommen in meinem Leben? Wir gehen hinaus in diese Welt und nehmen unendlich viel wahr: Lichter, Reklame, … wir haben den Eindruck, unsere Aufmerksamkeit soll überall hin gelenkt werden, aber weit weg von ihm!

Diese beiden Blinden im Evangelium, sie mussten von Jesus gehört haben, sie mussten etwas von ihm wahrgenommen haben. Und sie nähern sich ihm und schreien. Aber zunächst geht Jesus an ihnen vorüber. Er geht vorüber und geht weiter. Jesus bleibt nicht gleich stehen. Es ist fast so, als wollte Jesus sie hinter sich herziehen. Als wollte er sie herausfordern, zu schreien, aufzuschreien, ihm nachzuschreien.

Das ist ein Sinnbild für unser Leben. Jesus geht an uns vorüber und er möchte, dass wir ihm nachgehen. Er möchte, dass wir nicht locker lassen. Er möchte, dass auch wir schreien: „Hab Erbarmen mit uns! Hab Erbarmen mit uns, Sohn Davids!“

Hab Erbarmen mit uns!

Jesus möchte diesen Aufschrei. Aber es kommt noch etwas anderes: Diese beiden Blinden, die sich nicht sehen können, bestenfalls abtasten, sie müssen gemeinsam schreien, ihn gemeinsam anrufen. Es geht nicht darum, dass jeder von uns schreit, aufschreit, ihm nachschreit. Es geht darum, dass wir es gemeinsam tun. Probieren Sie es einmal aus, Sie, die Sie verheiratet sind. Beten Sie gemeinsam, schreien Sie auf, wenn es nicht so geht, wie Sie es sich vorgestellt haben. Lassen Sie gemeinsam nicht locker!

Oder, ich weiß es nicht, ob es so etwas bei Ihnen noch gibt, bei uns jedenfalls gibt es das noch, wenn zwei verlobt sind oder zumindest wissen, sie möchten heiraten, einen gemeinsamen Weg gehen, eine Familie gründen. Schreien Sie gemeinsam auf, beten Sie gemeinsam. Oder, wenn Sie Kinder haben, versuchen Sie es einmal mit den Kindern selbst. Oder, wenn Sie Ordensschwestern sind, tun Sie es nicht immer nur alleine, Gott hat Ihnen eine Gemeinschaft geschenkt. Tun Sie es in ihrer Gemeinschaft, mit Ihrer Gemeinschaft. Werden Sie beim Beten konkret, sagen Sie dem Herrn, wo es drückt. Tun Sie es gemeinsam. Wir werden heute noch den ganzen Abend über miteinander beten. Wir werden um Heilung beten, aber wir tun es nicht alleine. Wir tun es zusammen. Und dabei müssen wir nicht immer wissen, was den anderen bedrückt, wir brauchen seine Krankheit nicht immer zu wissen. Aber wir wissen, wir sind alle schwache Menschen, die ganz, ganz schnell an die Grenzen stoßen, überfordert sind. Wir sind Menschen, die sich nur Gott überlassen können, die nur Vertrauen aufbringen müssen, ihm gegenüber, für den nichts unmöglich ist. „Glaubt ihr, dass ich euch helfen kann?“, frägt Jesus diese beiden, armen Blinden.

Glaubt ihr, dass ich euch helfen kann? Glaubst du, dass er dir helfen kann? Glaubst du das wirklich? Und ganz schnell beginnen wir als Menschen unserer Zeit zu sprechen und sagen: „Ja, also bitte, es muss nicht um jede Ecke ein Wunder passieren. Ich möchte nicht wundergläubig sein oder gelten.“ Glaubst du, oder glaube ich, dass er mir helfen kann? Oder bin ich eher geneigt zu sagen: „Ja, da will ich mal versuchen, die Ärmel hochzukrempeln. Da will ich mich mal ein bisschen zusammenreißen. Da muss ich was tun. Ich muss etwas tun!“

Liebe Brüder und Schwestern!
Diese Frage hat mich bewegt, als ich mich für diese Predigt vorbereitet habe: Glaubst du, du als Priester?

Glaubst du daran, dass Jesus helfen kann?

Ich lege Ihnen diese Frage vor, geben Sie selber eine Antwort. Denken Sie sich hinein in die möglichen und unmöglichen Situationen unseres Lebens. Denken Sie sich hinein in die Ausweglosigkeit dieser Welt, denken Sie sich hinein in die Familien, dort hin, wo Sie selber nichts bewegen können – schon längst nichts mehr bewegen können. Denken Sie sich hinein in ihre Ehe, wo alles erlahmt ist, wo die Liebe keine Lebendigkeit mehr hat. Wo man angefangen hat, sich auszuhalten, wo man vom anderen nichts mehr erwartet. Denken Sie sich hinein in unsere heutige Gesellschaft, wo wir als Christen dastehen und sagen: Was sollen wir tun? Es wird nicht mehr lange dauern, dann dürfen wir uns gar nicht mehr als Christen erkennen zu geben. „Glaubt ihr, dass ich euch helfen kann?“ Ja, glaubt ihr das?

Ich persönlich kann eigentlich nur antworten: „Ich glaube, aber hilf du bitte ganz, ganz schnell meinem Unglauben! Ja, ich möchte glauben, ich möchte es glauben, ich möchte darauf vertrauen, aber hilf du meinem Unglauben. Hilf du mir, wenn mir Zweifel kommen.

Hilf du mir, wenn ich dich runterschraube auf Mittelmaß, wenn ich dir nicht alles zutraue, wenn ich dir nicht alles übergeben, wenn ich dich nicht zum Herrn über mein Leben, über meine Gesundheit, über meine Zukunft, über alles – über meine Ehe, über meine Kinder, über meine Kongregation, mache.

Liebe Brüder und Schwestern!
Und dann wird uns Jesus berühren. Und in dieser Berührung geschieht auch heute immer noch Heilung. Lassen Sie sich von ihm berühren! Von ihm selber, er heilt Sie, er heilt mich, er heilt unsere kranken Herzen, indem er uns sein Herz gibt.

Wie ihr geglaubt habt, so soll es geschehen.

Da wurden ihre Augen geöffnet. Wie ihr geglaubt habt! Und ich musste schmunzeln, wie ich den Text gelesen habe. Denn auf der einen Seite dachte ich: Ja, einige Male in meinem Leben habe ich tatsächlich geglaubt. Und da ist viel geschehen. Ich könnte mir nicht vorstellen, dass ich hier wäre, hätte ich nicht einige Male geglaubt. Aber schmunzeln musste ich, weil ich dazu dachte: Was wäre alles geschehen, hätte ich mehr geglaubt!? Was wäre da noch alles geschehen? Was ist da alles brach liegen geblieben? Was ist da noch an Möglichkeit in meinem Leben drinnen, von dem ich überhaupt nichts weiß? Herr, ich glaube, hilf du meinem Unglauben. Amen.