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Abend der Barmherzigkeit (02.01.2015)

„Das ist die Zärtlichkeit des Herrn in seiner Liebe. Das ist es, was er uns mitteilt und was uns die Kraft für unsere Zärtlichkeit gibt. Wenn aber wir uns stark fühlen, so werden wir nie in die Erfahrung der Liebkosung des Herrn kommen, der Liebkosungen des Herrn, die so schön sind... so schön. »Hab keine Angst, ich bin bei dir, ich nehme dich bei der Hand.« Das sind alles Worte des Herrn, die uns jene geheimnisvolle Liebe begreifen lassen, die er zu uns hat. Und wenn Jesus von sich selbst spricht, sagt er: »Ich bin gütig und von Herzen demütig.« (vgl. Mt 11,29) Auch er, der Sohn Gottes, erniedrigt sich, um die Liebe des Vaters zu empfangen“. (Papst Franziskus, 27.07.2014)

Der Abend der Barmherzigkeit steht auch im Jahr 2015 ganz unter der zärtlichen Liebe Gottes. Seit Jahren erfahren wir, dass an diesen Abenden das Herz Jesu ganz weit geöffnet ist und die „Schleusen seiner Barmherzigkeit“ verschwenderisch offen stehen. Gott ist uns ja nirgends näher als im Empfang der heiligen Sakramente. Zwölf Mal wird es auch in diesem Jahr wieder heißen „Misericordia“ – Abend der Barmherzigkeit. Die Termine finden Sie auf der Triduum-Seite. Pfarrer em. Johann Schuster sprach in der heutigen Predigt über das Sakrament der Taufe, die uns zu Gesalbten macht und dass uns Gott in Jesus Christus einen neuen Anfang schenkt. Er meinte: „Gott mutet uns immer zu, neu zu werden, auch noch mit 110 Jahren neu geboren zu werden für das Leben mit Gott. Und wenn wir Christen so neu leben, dann ist die Kirche nicht alt. Dann ist sie neu, dann lebt sie, dann bewegt sie die Herzen der Menschen. Und dann geschieht etwas Neues und wir haben wieder einen neuen Anfang.“ Als Mittel für einen Neuanfang nannte er unter anderem die Dankbarkeit: „Je dankbarer ich bin für jede Kleinigkeit, umso weniger Zeit habe ich, den anderen auszurichten. Da habe ich gar keine Zeit, mich zu bemitleiden. Denn, ich bin ja in der Dankbarkeit. Danken für jede Kleinigkeit – da würden die Ehezwistigkeiten sofort aufhören und auch im Kloster wäre der reinste Friede – es wäre ja gar nicht auszuhalten, vor lauter Schönheit.“ Der immer wieder in Christus erneuerte Anfang im Zusammenleben mit Gott und den Menschen, getragen von seiner barmherzigen Liebe, kann uns ein glückliches Neues Jahr bescheren. Möglicherweise waren Sie noch nie oder schon lange nicht mehr bei einem Abend der Barmherzigkeit. Vielleicht möchten Sie auch hier wieder einen neuen Anfang setzen. Die beste Gelegenheit dazu bietet sich gleich am 6. Februar 2015, wenn es bei uns wieder heißt: „Misericordia“ – Abend der Barmherzigkeit!

Predigt vom Abend der Barmherzigkeit Pfarrer em. Johann Schuster

Liebe Mitbrüder, ehrwürdige Schwestern, Brüder und Schwestern im Herrn, liebe Kinder und Jugendliche!

Wir haben gehört, wir befinden uns am Anfang. Und das ist gut so. Nicht nur am Anfang eines neuen Jahres, sondern oft auch spirituell am Anfang – oder am Ende – wie man es oft sehen will, am Ende unserer Weisheit. Und das ist gut so, denn es ist menschliche Weisheit.

Am Anfang hat unser geistliches Leben mit der Taufe begonnen – in der Regel. Aber ich habe heute gelesen, es werden in Deutschland nur mehr 50% der Kinder getauft. Und auf diesen unseren Anfang möchte ich jetzt eingehen, weil dieser Anfang unser Leben ganz grundsätzlich bestimmt bis heute. Ob wir die Taufe leben, wie die Bischöfe ihre Weihe oder die Ordensfrauen ihre Gelübde, ihre Weihe, ihr Versprechen, ob wir überhaupt leben und wer wir sind. Johannes wird gefragt, wer er ist. Und wenn ich jetzt einzelne fragen würde: Wer bist du? – Ich weiß nicht, welche Antworten ich bekäme. Wer bin ich? Das ist wichtig! Ich bin ein getaufter Christ, und vielleicht auch noch fromm. Und vielleicht zahle ich meinen Kirchenbeitrag… Die ehrwürdigen Schwestern lieben Christus ganz und sie geben ihr Leben hin für Christus, für die Menschen im Dienst, für die Notleidenden. Das ist auch eine schöne Antwort: Ich gebe Zeugnis für die heilende Kraft Christi im Spital. Oder: Ich gebe Zeugnis für das ehelose Leben, weil Christus das auch gelebt hat. Das wären schöne Antworten. Wer bin ich, das ist eine wichtige Frage, die sich Jugendliche in der Regel ganz gut fragen. Ich habe einen Namen, ich bin getauft. Und der Christ ist der, der einen Namen hat. Er ist nicht namenlos. Er hat einen Namen. Und dieser Name ist im größten aller Namen – wir feiern ihn morgen – das Fest des Namens Jesu. Jesus Christus selber gibt mir seinen Namen. Ich bin getauft auf seinen Namen, auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Und ich bin gesalbt. Ein Christ, das heißt wortwörtlich übersetzt: Ein Gesalbter – gesalbt mit dem Heiligen Geist. Johannes wurde genau gefragt, was er war. Er hat sogar das Prophet-Sein abgelehnt für sich, obwohl Jesus von ihm gesagt hat, er ist der größte aller Propheten. Ein Jugendlicher hat einmal gesagt, es hat ihm einer gesagt, er hätte eine prophetische Berufung – und er war ganz erschrocken und sagte: Ich will nicht Prophet sein, das ist unangenehm. Und so hat jeder einen Namen, der mit einer Berufung verknüpft ist. Johannes ist der, der als Stimme in der Wüste ruft. Auch heute rufen wir in die religiöse Wüste, oder besser gesagt, in die glaubenslose Wüste hinein; es ist alles tot und leer. Beim Gottesdienst merke ich das oft: Wüstenrufer zu sein, den Weg zu bereiten. Aber wie sollen wir den Weg bereiten, wenn wir uns nicht selber kennen? Wenn wir uns nicht trauen, keinen Mut haben? Vielen Jungen fehlt der Mut! Sie wissen nicht, was sie mit ihrem Leben anfangen sollen. Gute Ausbildung, bestes Studium, alles… Wo beginne ich jetzt im Beruf? Wo habe ich einen Anfang? Und da ist es wichtig, auf den Grund zu gehen, auf den Grund unseres Lebens.

Johannes hat getauft, das ist die eine Ebene unseres Lebens, mit Wasser zur Umkehr. Aber die meisten behaupten ja, sie brauchen keine Umkehr. Aber ich brauche Umkehr, immer wieder. Umkehr zum Leben, Umkehr zur Liebe, Umkehr zum Frieden und das Loslassen – die Mütter können oft ihre Söhne und die Söhne ihre Mütter nicht loslassen. Oder Väter die Töchter… Loslassen, umkehren, es ist oft so schwer, von etwas loszulassen. Also, Johannes ist der Rufer, die Stimme. Der Hirte – und wir feiern heute zwei Hirten (Basilius der Große und Gregor von Nazianz) – hat eine Stimme, und es soll die Stimme Christi in den Hirten wach werden. In Johannes wurde auch die Stimme Christi wach, als Vorläufer. Aber wir sind Nachläufer, wir sind ja getauft mit dem Wasser und – das ist entscheidend – mit dem Heiligen Geist. Das erst macht das Christsein aus: Mit dem Heiligen Geist getauft zu sein. Johannes sagte: Ich taufe nur mit Wasser, aber der, der nach mir kommt, dem bin ich es nicht wert, seine Schuhe aufzuschnüren. Es braucht ein Stück Demut. Demut, das ist auch wichtig als Anfang. Und Dankbarkeit. Ich habe vor kurzem gelesen: „Sagt in allen Kleinigkeiten Dank und ihr werdet viel weniger Probleme haben.“ Je dankbarer ich bin für jede Kleinigkeit, umso weniger Zeit habe ich, den anderen auszurichten. Da habe ich gar keine Zeit, mich zu bemitleiden. Denn, ich bin ja in der Dankbarkeit. Danken für jede Kleinigkeit – da würden die Ehezwistigkeiten sofort aufhören und auch im Kloster wäre der reinste Friede – es wäre ja gar nicht auszuhalten, vor lauter Schönheit. Dankbar sein…

Ich habe gerade eine Sterbende besucht, die ich schon lange kenne; und wenn ich ins Altenheim meine beiden Schwestern besuchen gehe, die behindert sind, dann bin ich wieder sehr dankbar für meine Wehwehchen, für meine Krankheiten. Verstehen Sie, wo wir so anfangen, gelingt ein neuer Schwung, in Demut, nicht in der Überheblichkeit. Wir Hirten, das ist die Gefahr bei uns, dass wir „steigen“ – aber wir haben keinen Grund uns zu überheben. Am meisten erreicht man in der Demut, im Annehmen. Und das ist auch ein guter Anfang: Ich nehme mich an und den Nächsten, so wie er ist. Ich nehme dieses Reibeisen an, so wie er ist – Punkt. Ja, ich bin ja auch oft ein Reibeisen und muss mich auch annehmen. Das ist ein guter Anfang. Wenn man wieder gestritten hat, den anderen wieder annehmen. Wenn man beleidigt ist, die beleidigte Mine verstecken und annehmen, danken für diesen Menschen.

Mir fällt jetzt die kleine Therese ein: Was hat die mitgemacht mit einer Mitschwester! Und dann hat die Mitschwester sie einmal gefragt, weil sie sich gewundert hat, warum sie immer so freundlich zu ihr war. Sie hat geglaubt, sie sei eine besondere Schwester. Nein, ein Reibeisen war diese Schwester für die kleine Therese. Aber Therese hat sie trotzdem geliebt und ist in den Kleinigkeiten dankbar gewesen. Das ist wichtig: In den Kleinigkeiten dankbar zu sein.

Und wenn wir aufstehen und denken: Ich mag jetzt nicht so zeitig in der Früh, dann heißt es: Raus! Das ist wichtig: Mut zu haben. Und so gelingt das Leben. Was hat uns Jesus vorgezeigt? Johannes war sein Vorläufer, er hat den Weg bereitet, aber Jesus ist gekommen und als dieses kleine, wehrlose Kind hat er einen neuen Anfang gesetzt, nicht als Herrscher, nicht als Mächtiger, nicht als Weiser, er ist nicht als Professor auf die Welt gekommen, nein, als einfaches Kind von Nazareth ist er gekommen. Das war ein guter Anfang in der Jungfrau Maria. So sehen Sie, wo ein guter Grund gelegt wird, oder wo wir uns neu auf diesen Grund ausrichten, und dieser Grund ist immer Gott, Petrus, die Kirche, der Fels, dort können wir neu beginnen.

Wo wir eine gute Beichte machen, dort können wir wieder neu beginnen. Gott trägt nichts nach, was wir bereuen und bekennen. Wo wir uns versöhnen, dort kommt wieder neu der Friede, ein neuer Anfang. So können wir jeden Tag in der Ehe wieder neu beginnen, im Ordensleben, im Priesterstand, in der Jugend, in der Kindheit. Wo ich gerade stehe und bin, kann ich neu werden und einen neuen Anfang machen. Auch wo ich beleidigt war und bedrückt war, da kann ich wieder einen Versuch machen. Auch wenn es nicht leicht ist. Gott schenkt uns durch die Taufe diesen neuen Anfang, dieses neue Leben im Heiligen Geist. Und je mehr wir – und die beiden Bischöfe haben das getan – je mehr wir im Geist Gottes leben, desto mehr werden wir in die Anfechtung kommen. Aha, schon wieder ein neuer Anfang – ich bin doch eh so ein braver Pfarrer und so fromm und so gut, es kommt mir keiner an Güte gleich und dann passiert mir das, wo die Leute mich verschätzen und nicht gut beurteilen. Demut – neuer Anfang. Das ist wichtig: Was uns Gott zumutet, annehmen. Und Gott mutet uns immer zu, neu zu werden, auch noch mit 110 Jahren neu geboren zu werden für das Leben mit Gott. Und wenn wir Christen so neu leben, dann ist die Kirche nicht alt. Dann ist sie neu, dann lebt sie, dann bewegt sie die Herzen der Menschen. Und dann geschieht etwas Neues und wir haben wieder einen neuen Anfang. So wie Johannes diesen neuen Anfang vorbereitet hat. Er ist nicht Elija, nicht der Prophet des Alten Bundes, er ist der Prophet, der für Jesus den Weg bereitet. Und auch heute ist es notwendig, für Jesus den Weg zu bereiten. Zuerst in uns selber. Aber ich mag mich ja nicht, und ich bin ja so, und das habe ich, und dieses Defizit habe ich und mit dem kann ich nicht leben… das ist ein jämmerlicher Anfang, wenn man so lebt! Der ist nicht gut, nicht cool, würden die Jungen sagen.

Neu mit Christus zu leben, das heißt dieses neue Leben! Unter der Führung des Heiligen Geistes, Mut haben, sich zu blamieren, Mut zu haben, zu dienen, Mut zu haben, Neues zu beginnen, Mut zu haben, zu lieben. Dieses kleine Kind von Nazareth, ist die Liebe, sagt Johannes im Evangelium. Dieses kleine Kind von Nazareth ist die Wahrheit. Und dieses kleine Kind von Nazareth ist die Demut, der große König der Herrlichkeit kommt bescheiden – und nicht mit Fertigwindeln und allem Drumherum, bestens medizinisch versorgt im Spital zur Welt, nein, er kommt ganz einfach, draußen wie die Ärmsten, damit keiner sagen kann, ich habe es noch schwieriger gehabt. Und er war auch von vielen nicht erwartet und manche, wie Herodes, wollten ihn töten, wollten den Anfang liquidieren. Aber Gott findet immer einen Weg, sein Heil neu in uns zu ergießen, seine Gnade, seine Liebe neu in uns zu öffnen. Ein Jugendlicher hat gesagt: Der erste Wunsch, den ich habe, ist, in den Himmel zu kommen. Er war 15 Jahre alt und hat gedacht: Der erste Wunsch von mir ist, in den Himmel zu kommen. – Ja, wo ist denn der Himmel? – Dort, wo Jesus ist. – Und wo ist Jesus? – Dort in dir, in der Krippe, wenn du ihn aufnimmst. Und wenn du mit Jesus lebst, dann bist du schon im Himmel. Dann gibt es mehr keinen Tod, der mir das Leben nehmen kann. Denn Gott lebt ewig. Und das ist unsere Freude, das ist der Anfang.

Jesus Christus ist zu uns gekommen, vom Vater gesandt, um uns diesen Neuanfang zu ermöglichen. Gehen wir diesen Weg, Johannes hat ihn bereitet. Seien wir wie Johannes. Bereiten wir den Weg der Menschen zu Jesus – für unsere Kinder, in der Liebe, in der Annahme; für unseren Ehepartner, auch wenn er mir schon seit 50 Jahren mit dem Gleichen auf den Geist geht: Ich liebe ihn trotzdem, ich habe keinen anderen. Nein, ich liebe ihn, weil Gott ihn liebt. Und das gilt auch für die Ordensgemeinschaften. Ich liebe meine Mitschwestern, auch wenn sie mir auf den Wecker gehen, weil Gott sie liebt. Vielleicht gehe ich auch jemanden auf den Wecker, und dann bin ich froh, wenn mich auch jemand liebt. Das ist doch entlastend. Christ zu sein, ist entlastend. Ich trage nicht die Schuld der Welt – meine eigene Schuld auch nicht – dafür bin ich zu schwach, sondern Christus trägt sie für mich. Also, ich möchte in den Himmel kommen, das geht am Schnellsten, wenn man mit Jesus ist. Schon jetzt kannst du mit Jesus neu anfangen, da brauchst du nicht mehr zu warten, bis das Ende des Jahres kommt. Das ist Neuanfang. Amen.