Statue der Gottesmutter
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„Betet den Rosenkranz!“ – Aber wie? (07.10.2020)

Die Seeschlacht von Lepanto, vielen aus dem Geschichtsunterricht noch bekannt, bildet den Hintergrund für das Rosenkranzfest, das die Kirche alljährlich am 7. Oktober begeht. An diesem einen entscheidenden Tag im Jahr 1571 fielen mehr Menschenleben dem Tod anheim als jemals davor oder auch danach. Damals bot Papst Pius der V. ein mächtiges Heer auf, das die Osmanen besiegen sollte: die „Heilige Liga“. Der Heilige Vater wusste aber, dass menschliche Stärke allein nichts ausrichten kann. So rief er die gesamte Christenheit zum Beten des Rosenkranzes in diesem Anliegen auf. Die Gläubigen bestürmten den Himmel, und die Gottesmutter brachte den Sieg über das osmanische Heer. „Unsere Liebe Frau vom Siege“ ist seither ein Ehrentitel der Gottesmutter, den ihr Papst Pius V. aus Dankbarkeit verlieh.

Ihrem mächtigen Eingreifen verdanken wir es, dass wir heute getauft sind und damit Christus angehören. Durch das Eingreifen der Gottesmutter und durch das vertrauensvolle Gebet aller Gläubigen blieb Europa christlich.

„Maria vom Siege“ hat sich in Fatima als „Königin des Rosenkranzes“ vorgestellt und uns aufgerufen, den Rosenkranz zu beten. Johannes Paul II. hinterließ uns in seiner Enzyklika „Rosarium Virginis Mariae“ eine Anleitung, wie wir den Rosenkranz in rechter Weise beten sollen. Lassen wir uns von diesem zutiefst marianischen Papst anleiten, indem wir seinen Worten und Anweisungen, die der bereits erwähnten Enzyklika entnommen sind, folgen:

Ein Antlitz, leuchtend wie die Sonne

»Und er wurde vor ihren Augen verwandelt; sein Gesicht leuchtete wie die Sonne« (Mt 17, 2). Die im Evangelium berichtete Szene von der Verklärung Christi, in der die drei Apostel Petrus, Jakobus und Johannes wie verzückt von der Schönheit des Erlösers erscheinen, kann zu einem Bild christlicher Kontemplation erhoben werden. Es bleibt der Auftrag eines jeden Jüngers Christi, und somit auch unser Auftrag, die Augen auf das Antlitz Christi gerichtet zu halten und darin das Geheimnis des gewöhnlichen und schmerzlichen Weges seiner Menschheit zu erkennen, bis hin zum Begreifen des göttlichen Glanzes, der sich endgültig im Auferstandenen, der zur Rechten des Vaters verherrlicht ist, kundtut. Im Betrachten dieses Angesichtes öffnen wir uns, um das Geheimnis des dreifaltigen Lebens in uns aufzunehmen und um stets aufs Neue die Liebe des Vaters zu erfahren und die Freude des Heiligen Geistes zu verkosten. So verwirklicht sich auch für uns das Wort des heiligen Paulus: »Wir alle spiegeln mit enthülltem Angesicht die Herrlichkeit des Herrn wider und werden so in sein eigenes Bild verwandelt, von Herrlichkeit zu Herrlichkeit, durch den Geist des Herrn« (2 Kor 3, 18).

Maria, Vorbild der Kontemplation

Die Betrachtung Christi hat in Maria ihr unübertreffliches Vorbild. Das Antlitz des Sohnes gehört in besonderer Weise zu ihr. In ihrem Schoß hat er Gestalt angenommen und von ihr ein menschlich ähnliches Aussehen empfangen, das eine sicher noch größere geistliche Verbundenheit mit sich bringt. Niemand hat sich mehr als Maria der Betrachtung des Antlitzes Christi mit gleicher Beharrlichkeit hingegeben. Die Augen ihres Herzens richten sich in gewisser Weise schon bei der Verkündigung auf ihn, als sie ihn durch das Wirken des Heiligen Geistes empfängt. In den folgenden Monaten beginnt sie, seine Gegenwart zu spüren und seine Züge zu erahnen. Als sie ihn schließlich in Bethlehem zur Welt bringt, sind auch die Augen ihres Leibes zärtlich auf das Angesicht des Sohnes gerichtet, den sie in Windeln wickelte und ihn in eine Krippe legte« (vgl. Lk 2, 7).

Von jetzt an wird ihr Blick, der immer mehr anbetendem Staunen gleicht, nicht mehr von ihm weichen. Es wird zuweilen ein fragender Blick sein, wie beim Ereignis der Wiederauffindung im Tempel: »Kind, wie konntest du uns das antun?« (Lk 2, 48). In jeden Fall wird es ein durchdringender Blick sein, der fähig ist, im Innersten Jesu seine verborgenen Gefühle wahrzunehmen und seine Absichten zu erahnen, wie in Kana (vgl. Joh 2, 5). Andere Male wird es ein schmerzlicher Blick sein, vor allem unter dem Kreuz, wo es wieder in gewissem Sinn der Blick der ,,Gebärenden“ sein wird, da Maria sich nicht darauf beschränkt, das Leiden und den Tod des Eingeborenen mitzuvollziehen, sondern im Lieblingsjünger (vgl. Joh 19, 26-27) den neuen Sohn aufzunehmen. Am Ostermorgen wird es ein strahlender Blick in der Freude der Auferstehung sein, und schließlich am Pfingsttag ein durch die Ausgießung des Geistes (vgl. Apg 1, 14) glühender Blick.

Die Erinnerungen Mariens

Maria lebt mit den Augen auf Christus gerichtet und macht sich jedes seiner Worte zu eigen: »Sie bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen und dachte darüber nach« (Joh 19, vgl. 2, 51). Die Erinnerungen an Jesus, die sich ihrer Seele einprägten, haben sie in allen Umständen begleitet, indem sie die verschiedenen Momente ihres Lebens, die sie an der Seite Jesu verbrachte, in Gedanken nochmals durchlief. Diese Erinnerungen bildeten, in gewisser Weise, den ,,Rosenkranz“, den sie selbst unaufhörlich in den Tagen ihres irdischen Lebens wiederholte.

Und auch jetzt, inmitten der Freudengesänge des himmlischen Jerusalems, bleibt der Grund ihres Dankes und ihres Lobes unverändert. Dieser Grund regt ihre mütterliche Sorge für die pilgernde Kirche an, in der sie fortfährt, die Handlung ihrer Geschichte als Verkündigerin zu entfalten. Maria legt den Gläubigen nochmals unaufhörlich die ,,Geheimnisse“ ihres Sohnes vor, mit dem Wunsch, daß sie betrachtet werden, auf daß sie ihre erlösende Kraft ausströmen können. Beim Beten des Rosenkranzes kommt die christliche Gemeinde mit dem Andenken und dem Blick Marias in Einklang.

Der Rosenkranz, ein betrachtendes Gebet

Gerade aus der Erfahrung Marias ist der Rosenkranz ein ausgesprochen kontemplatives Gebet. Wenn es diese Dimension entbehrt, würde ein entstelltes Gebet entstehen, wie Paul VI. unterstrichen hat: »Ohne Betrachtung ist der Rosenkranz ein Leib ohne Seele, und das Gebet läuft Gefahr, zu einer mechanischen Wiederholung von Formeln zu werden, ganz im Widerspruch zur Mahnung Jesu: ,,Wenn ihr betet, sollt ihr nicht plappern wie die Heiden, die meinen, sie werden nur erhört, wenn sie viele Worte machen“ (Mt 6, 7). Seiner Natur nach verlangt das Rosenkranzgebet einen ruhigen Rhythmus und ein besinnliches Verweilen, was dem Betenden die Betrachtung der Geheimnisse im Leben des Herrn erleichtert und diese gleichsam mit dem Herzen derjenigen schauen läßt, die dem Herrn am nächsten stand. So werden sich ihm die unergründlichen Reichtümer dieser Geheimnisse erschließen«

Es lohnt sich, bei diesen tiefen Gedanken von Paul VI. zu verweilen, um einige Dimensionen des Rosenkranzes herauszustellen, die besser den Eigencharakter der christologischen Betrachtung bestimmen.

Sich mit Maria an Christus erinnern

Das Betrachten Mariens ist in erster Linie ein Erinnern. Es ist jedoch notwendig, dieses Wort im biblischen Sinn von Gedächtnis (zakar) zu begreifen, das die Werke, die Gott in der Heilsgeschichte erfüllt hat, wieder gegenwärtig setzt. Die Bibel ist eine Erzählung von Heilsereignissen, die ihren Höhepunkt in Christus selbst finden. Diese Ereignisse sind nicht nur ein ,,Gestern“; zugleich sind sie das ,,Heute“ der Erlösung. Diese Aktualisierung verwirklicht sich vor allem in der Liturgie: das, was Gott vor Zeiten vollbracht hat, betrifft nicht nur die unmittelbaren Zeugen der Ereignisse, sondern erreicht mit dem Geschenk der Gnade Menschen zu jeder Zeit. Das gilt in gewisser Weise auch für jede andere fromme Annäherung an jene Ereignisse: sich in der Haltung des Glaubens und der Liebe daran ,,erinnern“, heißt, sich der Gnade öffnen, die Christus uns in den Geheimnissen seines Lebens, seines Todes und seiner Auferstehung erworben hat.

Indem wir nachdrücklich mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil bekräftigen, daß die Liturgie als Ausübung des priesterlichen Amtes Christi und öffentlicher Gottesdienst »der Höhepunkt ist, dem das Tun der ganzen Kirche zustrebt, und zugleich die Quelle, aus der all ihre Kraft strömt« , muß auch daran erinnert werden, daß sich »das geistliche Leben aber nicht schlechthin mit der Teilnahme an der heiligen Liturgie deckt. Der Christ ist zwar berufen, in Gemeinschaft zu beten, doch muß er auch in sein Kämmerlein gehen und den Vater im Verborgenen anbeten (vgl. Mt 6, 6); ja ohne Unterlaß beten, wie der Apostel mahnt (vgl. 1 Thess 5,17)« Es entspricht einer seiner Besonderheiten, daß sich der Rosenkranz in dieses bunte Bild des ,,unaufhörlichen“ Gebetes gut einordnet. Wenn die Liturgie, das Handeln Christi und der Kirche, ein Heilswerk par excellence darstellt, dann ist der Rosenkranz als eine Meditation über Christus mit Maria Heilsbetrachtung. In der Tat stellt die von Geheimnis zu Geheimnis vollzogene Vertiefung in das Leben des Erlösers sicher, daß wir das, was Er gewirkt hat und was die Liturgie vergegenwärtigt, tief in uns aufnehmen und es unsere Existenz gestaltet.

Christus von Maria lernen

Christus ist der Lehrer schlechthin, der Offenbarer und die Offenbarung. Es genügt nicht nur, die Dinge zu lernen, die Er gelehrt hat, sondern ,,ihn selbst zu lernen“. Gibt es darin eine Lehrerin, die uns mehr sagen könnte als Maria? Wenn auf der göttlichen Seite der Geist der innere Meister ist, der uns zur Fülle der Wahrheit Christi führt (vgl. Joh 14,26;15,26;16,13), kennt unter den Geschöpfen niemand besser als sie Christus; niemand kann uns besser als seine Mutter in eine tiefe Kenntnis seines Geheimnisses einführen.

Das erste der von Jesus vollbrachten ,,Zeichen“ – die Verwandlung von Wasser in Wein bei der Hochzeit zu Kana – zeigt uns Maria gerade im Gewand der Lehrerin, die dabei ist, die Diener zur Folgsamkeit gegenüber Christi Anweisungen aufzufordern
(vgl. Joh 2,5). Wir können uns gut vorstellen, daß Sie diese Aufgabe auch nach der Himmelfahrt des Herrn ausgeübt hat, als Sie bei ihnen geblieben ist, um den Heiligen Geist zu erwarten, und sie in ihrer ersten Mission bestärkt hat. Das Gehen durch die Szenen des Rosenkranzes an der Seite Marias bedeutet, sich ,,in die Schule Mariens“ zu begeben, um Christus zu erfassen und um in die Geheimnisse einzudringen, schließlich um seine Botschaft zu verstehen.

Eine Schule wie die Mariens ist um so wirksamer, wenn man bedenkt, daß sie diese abhält, um uns der Gaben des Heiligen Geistes in Fülle teilhaftig werden zu lassen. Sie stellt uns dabei das Beispiel der »Pilgerschaft im Glauben« vor Augen, in der sie unsere unvergleichliche Lehrerin ist. Angesichts eines jeden Geheimnisses des Sohnes lädt Sie uns ein, wie bei ihrer Verkündigung, die Fragen in Demut zu stellen, die auf das Licht hin öffnen, um stets im Glaubensgehorsam abzuschließen: »Ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast« (Lk 1,38).

Gleichgestaltung in Christus mit Maria

Die christliche Frömmigkeit zeichnet sich durch ihr Merkmal aus, daß der Jünger die Verpflichtung zu einer immer vollständigeren Gleichgestaltung mit seinem Meister auf sich nimmt (vgl. Röm 8,29; Phil 3,10.21). Die Ausgießung des Geistes in der Taufe fügt den Glaubenden gleich einem Rebzweig in den Weinstock ein, der Christus ist (vgl. Joh 15,5), und macht ihn zu einem Glied seines Mystischen Leibes (vgl. 1 Kor 12,12; Röm 12,5). Dieser Einheit zu Beginn muß ein Weg der wachsenden Gleichförmigkeit mit Ihm entsprechen, wobei sich das ganze Verhalten des Jüngers immer mehr an der ,,Logik“ Christi ausrichtet: »Seid untereinander so gesinnt, wie es dem Leben in Christus Jesus entspricht« (Phil 2,5). Nach den Worten des Apostels tut es Not, den Herrn Jesus Christus anzulegen (vgl. Röm 13,14; Gal 3,27).

Während des geistlichen Vollzugs des Rosenkranzes, der – in Gemeinschaft mit Maria – auf der unaufhörlichen Betrachtung des Antlitzes Christi gründet, erreicht man dieses anspruchsvolle Ideal des Ähnlichwerdens mit Ihm mittels eines Weges, den wir einen freundschaftlichen Besuch nennen könnten. Dieser versetzt uns ganz natürlich in das Leben Christi und erlaubt uns gleichsam, seine Empfindungen nachzuvollziehen. Der selige Bartolo Longo sagt dazu: »Wie zwei Freunde, die sich öfters besuchen, sich in ihren Gewohnheiten anzugleichen pflegen, so können auch wir, die wir in familiärer Vertrautheit mit Jesus und der Jungfrau in der Betrachtung der Rosenkranzgeheimnisse sprechen und gemeinsam ein und dasselbe Leben in der Kommunion vollziehen, ihnen gleich werden, soweit dies unsere Begrenztheit erlaubt: Von diesen höchsten Beispielen können wir das demütige, arme, verborgene, geduldige und vollkommene Leben erlernen« .

Für diesen Prozeß der Gleichgestaltung mit Christus vertrauen wir uns im Rosenkranz besonders dem mütterlichen Wirken der heiligen Jungfrau an. Sie, die Gottesgebärerin, gehört einerseits selbst zur Kirche als ihr »überragendes und völlig einzigartiges Glied« und ist zugleich die ,,Mutter der Kirche“. Als solche ,,gebiert“ sie ständig Kinder für den Mystischen Leib des Sohnes. Dies übt sie durch die Fürbitte aus, indem sie für diese die unerschöpfliche Ausgießung des Geistes erfleht. Sie ist das vollkommene Bild der Mütterlichkeit der Kirche.

Der Rosenkranz führt uns mystisch an die Seite Marias, die damit beschäftigt war, das menschliche Heranwachsen Jesu im Haus von Nazareth zu begleiten. Dies erlaubt ihr, auch uns mit derselben Sorgfalt zu erziehen und uns zu formen, bis Christus vollkommen in uns Gestalt angenommen hat (vgl. Gal 4,19). Dieses völlig auf Christus gegründete und ihm gänzlich untergeordnete Handeln Mariens »verhindert in keiner Weise die unmittelbare Vereinigung der Glaubenden mit Christus, sondern wird vielmehr gefördert«. Es ist dies das vom Zweiten Vatikanischen Konzil formulierte erleuchtete Prinzip, das ich in meinem Leben so stark erfahren habe, um es zur Grundlage meines bischöflichen Wappenspruches zu machen: Totus tuus. Dieses Motto inspiriert sich bekanntlich an der Lehre des heiligen Ludwig Maria Grignion de Montfort, der die Rolle Mariens auf dem Weg eines jeden von uns zur Gleichgestaltung mit Christus wie folgt erklärt hat: »Unsere ganze Vollkommenheit besteht darin, gleichförmig mit Christus Jesus, geeint und geweiht an ihn zu sein. Jedoch die vollkommenste aller Formen der Hingabe ist unbestreitbar jene, die uns noch vollkommener mit Christus gleichgestaltet, vereinigt und uns ihm weiht. Da Maria das Geschöpf ist, welches am meisten Christus gleichgestaltet ist, folgt daraus, daß unter den Frömmigkeitsformen jene, die eine Seele besser unserem Herrn gleichgestaltet und ihm weiht, die Marienverehrung ist, die Verehrung seiner heiligen Mutter, und daß umso mehr eine Seele ihr geweiht ist, sie auch mehr Jesus Christus selbst geweiht ist«. Nirgends sonst erscheinen der Weg von Christus und jener von Maria so tief vereinigt zu sein wie im Rosenkranzgebet. Maria lebt ganz in Christus und in der Funktion Christi!

Mit Maria Christus bitten

Christus hat uns aufgetragen, uns mit Beharrlichkeit und Vertrauen an Gott zu wenden, um Erhörung zu finden: »Bittet, dann wird euch gegeben; sucht, dann werdet ihr finden; klopft an, dann wird euch geöffnet« (Mt 7,7). Das Fundament dieser Kraft des Gebetes ist die Güte des Vaters, aber auch die Mittlerschaft Christi vor Gott (vgl. 1 Joh 2,1) und das Wirken des Heiligen Geistes, der »für uns eintritt« nach dem Plane Gottes (vgl. Röm 8,26-27). Tatsächlich »wissen wir nicht, worum wir in rechter Weise beten sollen« (Röm 8,26) und manchmal werden wir nicht erhört, weil wir »schlecht bitten« (vgl. Jak 4,2-3).

Zur Unterstützung unseres Betens, welches Christus und der Geist in unserem Herzen hervorbringen, kommt uns Maria mit ihrer mütterlichen Fürsprache zu Hilfe. »Das Gebet der Kirche ist durch das Gebet Marias wie getragen«. Tatsächlich ist es so, daß, wenn Jesus, der einzige Mittler, der Weg unseres Gebetes ist, Maria, die ganz durchlässig für ihn war, uns den Weg zeigt. »Ausgehend von dieser einzigartigen Mitwirkung Marias am Wirken des Heiligen Geistes haben die Kirchen das Gebet zur heiligen Mutter Gottes entfaltet. Sie richteten dieses Gebet ganz auf Christus aus, wie er sich in seinen Mysterien zeigt«. Gerade bei der Hochzeit zu Kana verdeutlicht das Evangelium die Wirksamkeit der Fürbitte Marias, die sich bei Jesus zur Sprecherin für menschliche Anliegen macht: »Sie haben keinen Wein mehr« (Joh 2, 3).

Der Rosenkranz ist gleichzeitig Betrachtung und Bittgebet. Die beharrliche Anrufung der Mutter Gottes stützt sich auf das Vertrauen, daß ihre mütterliche Fürsprache beim Herzen ihres Sohnes alles vermag. Sie ist »allmächtig aus Gnade«, wie der selige Bartolo Longo es in einer kühnen Formulierung, die richtig verstanden werden muß, in seiner Supplica alla Vergine formulierte. Dies ist eine Sicherheit, die sich, ausgehend vom Evangelium, im gläubigen Volk im Laufe der Zeit immer mehr gefestigt hat. Der große Dichter Dante hat dies, ganz in der Meinung des heiligen Bernhard, in wunderbarer Weise formuliert, wenn er singt: »Du bist als Frau so groß und giltst so viel, / daß, wer nach Gnade dürstend dich nicht anruft, / umsonst zu fliegen suchte, ohne Flügel«. Während wir im Rosenkranz zu Maria flehen, stellt sie, das Heiligtum des Heiligen Geistes (vgl. Lk 1, 35), sich für uns vor den Vater, der sie mit Gnade erfüllt hat, und vor den Sohn, der aus ihrem Schoß geboren wurde, um für uns und mit uns zu beten.

Mit Maria Christus verkünden

Der Rosenkranz stellt ebenso einen Weg der Verkündigung und der Vertiefung dar, auf dem sich das Christusgeheimnis unaufhörlich auf den verschiedenen Ebenen der christlichen Erfahrung vergegenwärtigt. Seine Struktur ist die der betenden und betrachtenden Darstellung, die danach strebt, den Christen nach dem Herzen Jesu Christi zu formen. In der Tat müssen beim Rosenkranzgebet alle seine Elemente für eine gute Betrachtung entsprechend geschätzt werden. Nur dann erwächst aus ihm, besonders beim gemeinschaftlichen Gebet in den Pfarreien und an Wallfahrtsorten, eine bedeutende katechetische Möglichkeit, die die Hirten zu nutzen wissen sollten. Die Jungfrau des Rosenkranzes führt auch in dieser Weise ihr Werk der Verkündigung Christi fort. Die Geschichte des Rosenkranzes zeigt uns, wie gerade dieses Gebet in schwierigen Zeiten besonders von den Dominikanern benutzt wurde, um die Kirche vor den sich verbreitenden Häresien zu schützen. Heute stehen wir vor neuen Herausforderungen. Warum nehmen wir den Rosenkranz nicht mit dem Glauben unserer Vorfahren in die Hände? Der Rosenkranz bewahrt seine ganze Kraft und bleibt ein nicht zu vernachlässigender Schatz für die pastorale Ausrüstung jeder guten Glaubensverkündigung.