Statue der Gottesmutter
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Der Wert des Mitleidens (15.09.2019)

In diesem Jahr verdrängt der Sonntag das Gedächtnis der Schmerzen Mariens. Die Schmerzen der Gottesmutter sind aufs Engste mit dem Leiden Christi verbunden. Deshalb folgt der Gedenktag ihres Leidens unmittelbar auf das Fest Kreuzerhöhung.

In der Sequenz „Stabat mater“ wird das tapfer getragene Leid der Mutter Gottes unter dem Kreuz besungen. Sie hat mit ihrem Sohn mitgelitten und dieses Leiden fruchtbar gemacht für die ganze Kirche. Ihr Leiden wurde gekrönt durch ihre heroische Vergebung, die jedem einzelnen von uns zukommt. Im Augenblick der tiefsten Schmerzen hat sie uns als Vermächtnis ihres sterbenden Sohnes als Kinder angenommen, obwohl wir die Ursache ihres Schmerzes waren, denn wegen unserer Sünden ist er gestorben.

Was der heilige Pauls über sich selbst sagt, kann Maria in einem weitaus höheren Ausmaß für sich beanspruchen: „Jetzt freue ich mich in den Leiden, die ich für euch ertrage. Ich ergänze in meinem irdischen Leben, was an den Bedrängnissen Christi noch fehlt an seinem Leib, der die Kirche ist. Ihr Diener bin ich geworden gemäß dem Heilsplan Gottes, um an euch das Wort Gottes zu erfüllen.“ (Kol 1,24-25)

Auch die Worte, die Paulus an Timotheus schrieb, können bei Maria angewandt werden: „Deshalb erdulde ich alles um der Auserwählten willen, damit auch sie das Heil in Christus Jesus erlangen mit ewiger Herrlichkeit. Das Wort ist glaubwürdig: Wenn wir nämlich mit Christus gestorben sind, werden wir auch mit ihm leben; wenn wir standhaft bleiben, werden wir auch mit ihm herrschen.“ (2 Tim 2,10-12a)

Durch ihr bereitwilliges Mitleiden mit Christus, um wie er den Willen Gottes zu erfüllen, wurde Maria zur Miterlöserin. Deshalb muss auch ein wahres Kind Mariens diese Bereitschaft zum miterlösenden Leiden in sich tragen. Echte Marienfrömmigkeit bleibt nicht an der Schwelle zum Kreuz stehen, sondern stellt sich unter das Kreuz Jesu.

Wo finden wir Jesus heute am Kreuz? In allen Leidenden dieser Welt. Und die Not der Menschen ist sehr unterschiedlich. Sie kann materieller, physischer oder psychischer Natur sein. Jesus ist heute gekreuzigt in den „Geringsten“, denn mit ihnen identifiziert er sich. (vgl. Mt 25,40ff)

Wir brauchen heute ein marianisches Herz, ein Herz das fähig ist, mit den Leidenden mitzuleiden, mit den Trauernden zu weinen, aber auch mit den Fröhlichen zu lachen. Wer Maria liebt, muss ihr ähnlich werden; muss sich vom Leiden Christi und vom Leiden des Nächsten berühren lassen; muss sich letztendlich wie die Gottesmutter sein Herz vom Schmerz dorchbohren lassen. Das vom Schwert des Leidens durchbohrte Herz ist ein fruchtbares Herz, ist ein Herz, das zu aufrichtiger Liebe fähig ist, ein Herz, das für den anderen geöffnet ist.

Leiden, das wir umfangen, wie Jesus das Kreuz umfangen hatte, bevor er es auf seine Schultern nahm, wird zu einem leichten Joch. Leiden, die wir ablehnen, lasten drückend schwer auf uns. Und aus der anfänglichen Ablehnung wird allmählich die Auflehnung. Zuerst gegen das Leiden und schlussendlich gegen Gott selbst. Leiden, das wir in Liebe annehmen, erhöht uns, bringt uns Gott näher. Leiden, das wir aufopfern für unsere Mitmenschen erlangt eine Fruchtbarkeit, die auch den anderen erhöht und mit in den Himmel nimmt.

Die Gnade des Leidens kann durch nichts aufgewogen werden. Es heißt, dass uns die Engel darum beneiden. Aber selbst gewählte Leiden und das Leiden um des Leidens Willen führen zu nichts, höchstens zur Verbitterung. Wer aus Liebe leidet, das was Gott einem auferlegt hat in Demut annimmt und tapfer trägt, der bringt reiche Frucht hervor.

Eine, die diese Kreuzesliebe bis zur Vollendung gelebt hat, der auch die mystische Herzdurchbohrung gewährt wurde, ist die kleine heilige Therese. In einem ihrer Gedichte hat sie diese Zeilen niedergeschrieben:

„Aus Liebe leben, heißt auf Erden nicht,
sein Zelt auf dem Gipfel des Tabor aufschlagen;
Es heißt, mit Jesus Kalvaria besteigen;
Es heißt, das Kreuz als einen Schatz ansehen! …
Im Himmel muss ich im Genuss leben;
Dann wird die Prüfung für immer entflohen sein,
doch in der Verbannung will ich im Leiden
Leben aus Liebe.

Aus Liebe leben, das heißt, dein Antlitz trocknen;
Das heißt, den Sündern die Verzeihung erlangen.
O Gott der Liebe!

Dass sie in deine Gnade zurückkehren
und deinen Namen für immer preisen …

Bis zu meinem Herzen erschallt die Gotteslästerung.
Um sie zu tilgen, möchte ich immer singen:
Deinen heiligen Namen, ich bete ihn an und ich liebe ihn.

Ich lebe aus Liebe.“

Therese von Liseux war ein echtes Marienkind, das Maria als ihre Mutter zärtlich liebte. Maria möchte sich in den Herzen ihrer Kinder wiederspiegeln. Aber das Leiden geht gegen unsere Natur, möchten wir einwerfen. Und das stimmt, denn wir sind zum Lob Gottes und für ein Leben in Herrlichkeit geschaffen. Das Leiden ist die Frucht der Sünde. Wenn wir leiden ist es also nur gerecht, dass wir die Früchte unserer Sündhaftigkeit ernten. Maria hingegen war frei von jeder Schuld. Unverdient blieb sie verschont vom Makel der Erbschuld, um uns den Erlöser zu gebären. Aber es ist ihr Verdienst, dass sie keine persönliche Schuld begangen hatte. Und trotzdem war sie bereit, für uns zu leiden.

Oft trifft uns Leid und wir können nicht verstehen, warum. Das ist auch nicht wichtig. Wir müssen nicht wissen, warum und wofür wir leiden. Eines Tages wird alles offenbar werden. „Freut euch, dass ihr Anteil an den Leiden Christi habt; denn so könnt ihr auch bei der Offenbarung seiner Herrlichkeit voll Freude jubeln.“, fordert uns Petrus auf.

Kein Leid ist umsonst, wenn wir uns wie Maria unter das Kreuz Christi stellen und unsere Leiden mit seinen Leiden vereinen. Jedes Leid, jeder noch so kleine Schmerz, wird fruchtbar in dem einen Opfer, das Christus für uns dargebracht hat. Richtiges Leiden kann man lernen – so wie Jesus und Maria es gelernt haben: durch Gehorsam Gott gegenüber. Denn Jesus „erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz!“

Maria weiß besser als jeder von uns, was Leiden bedeutet. Sie wird uns helfen, unsere eigenen Nöte in der rechten Gesinnung zu tragen. Umso mehr wir zu leiden verstehen, umso mehr werden wir die Freude am Leben wiederfinden. Denn die Schule des Leidens ist ein Schule der tiefen inneren Freude.

Diese Tatsache können wir vom Antlitz der seligen Chiara Luce Bandano ablesen, deren Liebe zu Christus ihr Gesicht zum Leuchten brachte inmitten einer schmerzhaften Krankheit, die ihr das Leben raubte. Ihre Biografie ist äußerst lesenswert: Gudrun Griesmayer, Stefan Liesenfeld: Chiara Luce Badano: „Gott liebt mich doch!“ – ein kurzes, intensives Leben. Verl. Neue Stadt, München, Zürich, Wien 2010, ISBN 978-3-87996-884-8.

„Wenn mich jetzt jemand fragen würde, ob ich wieder laufen möchte, würde ich sagen nein, denn so, wie ich jetzt bin, bin ich näher bei Jesus.“

„Ich hatte so viele Pläne… Ich spüre, daß Gott mich zu mehr ruft, zu etwas Größerem. Mich interessiert nur der Wille Gottes… Jetzt fühle ich mich als Teil eines wunderbaren Plans, der sich mir nach und nach enthüllt.“

„Ich vertraue fest auf Gottes Liebe und opfere meine Schmerzen auf, auch in den schwierigsten Momenten… Jetzt gibt es nichts Gesundes mehr in mir, aber ich habe noch das Herz, mit dem ich immer lieben kann… Die Nacht war schrecklich, aber ich habe keinen Moment vergeudet, denn ich habe alles Jesus geschenkt.“

Die Schmerzen wurden unerträglich. Aber sie lehnte Morphium oder hochdosierte Schmerzmittel ab: „Sonst habe ich keinen klaren Kopf. Und ich kann Jesus nur den Schmerz schenken. Etwas anderes habe ich nicht mehr.“ „Ich bitte Jesus nicht mehr darum, mich zu sich in den Himmel zu holen; sonst sieht es so aus, als wollte ich nicht mehr leiden.“ (Chiara Luce Bandano)

Blumen streuen

Jesus, meine einzige Liebe!
Wie liebe ich es, jeden Abend
dir am Fuß des Kreuzes
Blumen zu streuen!
Die Frühlingsrose für dich entblätternd,
möchte ich deine Tränen trocknen.
Blumen streuen bedeutet,
als Erstlingsgaben
die leisesten Seufzer,
die größten Schmerzen darzubringen,
meine Leiden und meine Freuden,
meine kleinen Opfer.
Das sind meine Blumen.
Herr, von deiner Schönheit
ist meine Seele begeistert.
An dich möchte ich meine Wohlgerüche
und meine Blumen verschwenden.
Indem ich sie für dich dem Wind anvertraue,
möchte ich die Herzen entzünden.
Blumen streuen,
Jesus, das ist meine Waffe,
wenn ich kämpfen will,
um die Sünder zu retten.
Der Sieg ist mein …
Immer entwaffne ich dich
mit meinen Blumen!
Die Blumenblätter,
die dein Gesicht liebkosen,
sagen dir,
dass mein Herz
ohne Widerruf dir gehört.
Du verstehst die Sprache
meiner entblätterten Rose
Und du lächelst zu meiner Liebe.
Blumen streuen,
deinen Lobpreis wiederholen,
Das ist mein einziges Vergnügen im Tal der Tränen.
Im Himmel werde ich mit den kleinen Engeln hingehen,
um Blumen zu streuen!

(Hl. Therese von Lisieux)