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Die Apostel Judas Iskariot und Matthias (14.05.2019)

„In der Reihe der zwölf von Jesus berufenen Apostel richten wir heute unser Augenmerk auf Judas Iskariot, der seinen Meister verraten hat. Ebenso wenden wir uns kurz dem Matthias zu, der dann den Platz des Judas im Apostelkreis eingenommen hat.“ Wie schon in den einleitenden Worten möchten wir auch diesmal wieder Papst Benedikt XVI. zu Wort kommen lassen und seine Auslegungen zu den beiden Aposteln wiedergeben, die er bei einer Generalaudienz am 18.10.2006 gebracht hatte:

„Schon allein der Name Judas löst unter den Christen eine instinktive Reaktion der Ablehnung und der Verurteilung aus. Die Bedeutung des Beinamens »Iskariot« ist umstritten: Die am häufigsten akzeptierte Erklärung versteht ihn als »Mann aus Kerijot« und bezieht sich dabei auf seinen Herkunftsort, der bei Hebron liegt und in der Heiligen Schrift zweimal erwähnt wird (vgl. Jos 15,25; Am 2,2). Andere interpretieren ihn als Variante des Begriffes »sicarius«, Meuchelmörder, als spiele er auf einen Freischärler an, der mit einem Dolch – lateinisch »sica« – bewaffnet ist. Schließlich sehen einige in dem Beinamen einfach die Transkription einer hebräisch-aramäischen Wurzel mit der Bedeutung: »der, der im Begriff war, ihn auszuliefern«. Diese Bezeichnung findet sich zweimal im Vierten Evangelium, und zwar nach einem Glaubensbekenntnis des Petrus (vgl. Joh 6,71) und dann während der Salbung in Betanien (vgl. Joh 12,4). Andere Stellen zeigen, dass der Verrat im Gange war, wenn es heißt: »der, der ihn verriet«; so während des Letzten Abendmahls, nach der Ankündigung des Verrats (vgl. Mt 26,25) und dann zum Zeitpunkt der Gefangennahme Jesu (vgl. Mt 26,46.48; Joh 18,2.5).

Die Zwölferlisten hingegen erinnern an die bereits begangene Tat des Verrats: »Judas Iskariot, der ihn dann verraten hat«, sagt Markus (3,19); bei Matthäus (10,4) und Lukas (6,16) finden sich ähnliche Formulierungen. Der Verrat als solcher geschah in zwei Momenten: Zunächst in der Planung, als Judas sich mit den Feinden Jesu auf 30 Silberstücke einigte (vgl. Mt 26,14–16), und dann bei der Durchführung der Tat, als er in Getsemani den Meister küßte (vgl. Mt 26,46–50). Auf alle Fälle beharren die Evangelisten auf dem Apostelrang des Judas, der ihm in jeder Hinsicht zukam: Er wird wiederholt »einer der Zwölf« (Mt 26,14. 47; Mk 14,10. 20; Joh 6,71) genannt oder »der zu den Zwölf gehörte« (Lk 22,3). Ja, zweimal sagt Jesus »einer von euch«, als er sich an die Apostel wendet und von Judas spricht (Mt 26,21; Mk 14,18; Joh 6,70;13,21). Und Petrus wird über Judas sagen: »Er wurde zu uns gezählt und hatte Anteil am gleichen Dienst« (Apg 1,17).

Es handelt sich also um eine Gestalt, die zum Kreis derer gehörte, die Jesus sich als enge Gefährten und Mitarbeiter erwählt hatte. Das wirft bei dem Versuch, den Geschehnissen eine Erklärung zu geben, zwei Fragen auf. Die erste besteht darin, dass wir uns fragen, weshalb Jesus diesen Mann erwählt und ihm sein Vertrauen geschenkt hat. Denn obwohl Judas für die Kasse der Gruppe verantwortlich war (vgl. Joh 12,6b; 13,29a), wird er tatsächlich auch als »Dieb« bezeichnet (Joh 12,6a). Das Geheimnis der Erwählung bleibt bestehen, um so mehr, als Jesus ein sehr schweres Urteil über ihn spricht: »Weh dem Menschen, durch den der Menschensohn verraten wird!« (Mt 26,24). Noch mehr verdichtet sich das Geheimnis seines ewigen Schicksals durch das Wissen, dass Judas seine Tat reute. »Er brachte den Hohenpriestern und den Ältesten die dreißig Silberstücke zurück und sagte: Ich habe gesündigt, ich habe euch einen unschuldigen Menschen ausgeliefert« (Mt 27,3–4). Obwohl er dann wegging, um sich zu erhängen (vgl. Mt 27,5), steht es uns nicht zu, seine Tat ermessen zu wollen und uns damit an die Stelle des unendlich barmherzigen und gerechten Gottes zu setzen.

Eine zweite Frage betrifft den Grund für das Verhalten des Judas: Warum verriet er Jesus? Die Frage ist Gegenstand verschiedener Hypothesen. Einige ziehen den Faktor seiner Geldgier heran. Andere befürworten eine Erklärung auf messianischer Ebene: Judas sei enttäuscht gewesen, als er gesehen habe, dass die politisch-militärische Befreiung seines Landes nicht zu den Plänen Jesu gehörte. In Wirklichkeit aber unterstreichen die Texte der Evangelien einen anderen Aspekt. Johannes sagt ausdrücklich: »Der Teufel hatte Judas, dem Sohn des Simon Iskariot, schon ins Herz gegeben, ihn zu verraten und auszuliefern« (Joh 13,2). Ähnlich schreibt Lukas: »Der Satan aber ergriff Besitz von Judas, genannt Iskariot, der zu den Zwölf gehörte« (Lk 22,3). Auf diese Weise geht man über die historischen Motivationen hinaus und erklärt das Geschehen auf der Grundlage der persönlichen Verantwortung des Judas, der einer Versuchung des Bösen auf erbärmliche Weise nachgab. Der Verrat des Judas bleibt auf jeden Fall ein Geheimnis. Jesus hat ihn als Freund behandelt (vgl. Mt 26,50); bei seinen Aufforderungen, ihm auf dem Weg der Seligpreisungen zu folgen, übte er jedoch niemals Zwang auf den menschlichen Willen aus, noch bewahrte er ihn vor den Versuchungen Satans und respektierte damit die menschliche Freiheit.

Die Möglichkeiten der Verirrung des menschlichen Herzens sind in der Tat zahlreich. Der einzige Weg, ihnen vorzubeugen, besteht darin, nicht nur eine rein individualistische, autonome Sicht der Dinge zu pflegen, sondern sich im Gegenteil immer wieder aufs neue auf die Seite Jesu zu stellen und seine Sichtweise anzunehmen. Wir müssen Tag für Tag versuchen, in vollkommener Gemeinschaft mit ihm zu stehen. Erinnern wir uns daran, dass auch Petrus sich Jesus und dem, was ihn in Jerusalem erwartete, widersetzen wollte, wofür er aber eine strenge Zurechtweisung erhielt: »Du hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen« (Mk 8,32–33)! Nach seinem Fall bereute Petrus und fand Vergebung und Gnade. Auch Judas bereute, aber seine Reue artete in Verzweiflung aus und führte so zur Selbstzerstörung. Das ist für uns eine Aufforderung, immer vor Augen zu haben, was der hl. Benedikt am Schluß des grundlegenden IV. Kapitels seiner Regel sagt: »Und an der Barmherzigkeit Gottes niemals verzweifeln«. Wirklich, Gott »ist größer als unser Herz«, wie der hl. Johannes sagt (1 Joh 3,20). Halten wir uns daher zwei Dinge vor Augen. Erstens: Jesus achtet unsere Freiheit. Zweitens: Jesus wartet auf unsere Bereitschaft zur Reue und zur Umkehr; er ist reich an Barmherzigkeit und Vergebung. Wenn wir im übrigen an die negative Rolle denken, die Judas gespielt hat, müssen wir sie der höheren Führung der Ereignisse durch Gott unterordnen. Sein Verrat führte zum Tod Jesu, der die schreckliche Hinrichtung in einen Akt heilbringender Liebe und in die Hingabe seiner selbst an den Vater umwandelte (vgl. Gal 2,20; Eph 5,2.25). Das Verb »verraten« ist die Übersetzung eines griechischen Wortes, das »hingeben« bedeutet. Manchmal ist sein Subjekt sogar Gott selbst: Er war es, der aus Liebe Jesus für uns alle »hingab« (vgl. Röm 8,32). In seinem geheimnisvollen Heilsplan nimmt Gott die unentschuldbare Tat des Judas als Gelegenheit zur vollkommenen Hingabe des Sohnes für die Erlösung der Welt an.

Matthias wurde nach Ostern den elf Aposteln zugerechnet

Zum Schluß wollen wir uns auch an denjenigen erinnern, der nach Ostern anstelle des Verräters gewählt wurde. In der Kirche von Jerusalem wurden zwei Männer von der Gemeinde vorgeschlagen, und dann wurde die Wahl durch das Los entschieden: »Josef, genannt Barsabbas, mit dem Beinamen Justus, und Matthias« (Apg 1,23). Dieser letztere war der Auserwählte, und er »wurde den elf Aposteln zugerechnet« (Apg 1,26). Von ihm wissen wir nichts anderes, als dass auch er Zeuge des ganzen Lebens Jesu auf Erden war (vgl. Apg 1,21–22) und ihm bis ins Letzte treu blieb. Zur Größe seiner Treue kam dann der Ruf Gottes hinzu, den Platz des Judas einzunehmen, gleichsam um seinen Verrat auszugleichen. Daraus gewinnen wir eine letzte Lehre: Auch wenn in der Kirche unwürdige Christen und Verräter nicht fehlen, ist jeder von uns aufgerufen, ein Gegengewicht zu dem von ihnen begangenen Übel zu schaffen, durch unser klares Zeugnis für Jesus Christus, unseren Herrn und Erlöser.“

Matthias, die Kurzform des hebräischen Marrathias, bedeutet Gottes Geschenk. Als ein Geburtsort des Apostels Matthias wird Betlehem angenommen. Seine Familie dürfte wohlhabend gewesen sein, er selbst lernte Jesus schon als junger Mann kennen und dürfte den 70 Jüngern angehört haben, die Jesus ausgesandt hatte, um das Reich Gottes zu verkünden. (Lk 10,1) Heute gilt Matthias als der 12. Apostel und teilt sich diesen Rang mit dem Apostel Paulus. Manche bezeichnen ihm aber auch als 13. Apostel. Clemens von Alexandria schrieb dazu: „Nicht dass sie als Apostel auserwählt wurden aufgrund hervorragender Eigenschaften ihrer Natur, denn auch Judas war zusammen mit ihnen auserwählt. Aber sie waren dazu fähig Apostel zu werden, weil sie durch Ihn auserwählt wurden, der sogar die letzten Fragen vorhersieht. Matthias, dementsprechend, der nicht zusammen mit ihnen auserwählt war, zeigte sich würdig, ein Apostel zu werden, ist Ersatz für Judas.“

Wie bei den meisten Aposteln gehen die Legenden seines Wirkens weit auseinander. Als Wirkorte werden Judäa oder Griechenland, Kaukasus und Äthiopien, einem Land am Schwarzen Meer, beschrieben. Dort soll man ihn wegen der Verkündigung der Frohen Botschaft im Jahr 63 gesteinigt und anschließend mit einem Beil erschlagen haben. Eine andere Legende besagt, dass er in Judäa verklagt und vom Hohen Rat zum Tode verurteilt wurde – ebenfalls durch Steinigung und Enthauptung durch das Beil.

Viele Heilungen und Wunder sollen seine Predigten begleitet haben, die sich mit Vorliebe darum drehten, den „alten Menschen abzulegen und den neuen Menschen anzuziehen“. Klemens von Alexandria überlieferte den Wunsch des Apostels, dass die Gläubigen gute Vorbilder sein sollen: „Wenn der Nachbar des Gläubigen sündigt, so sündigt oft auch dieser; denn wenn wir dem Nächsten immer nur ein gutes Beispiel geben, oft und inbrünstig für ihn beten, so wird er von vielen Sünden bewahrt bleiben und gut werden. Geben wir ihm aber ein böses Beispiel, so ahmt er uns nur zu leicht nach, und wir machen uns an seiner Sünde mitschuldig.“

Eine weitere Erzählung berichtet, wie Matthias von einem Heiden auf die Probe gestellt wurde, indem er ihm ein vergiftetes Getränk reichte und ihm befahl, es zu trinken. Das Gift führte zur Erblindung. Nicht aber bei Matthias, der den gereichten Trank mit einem Kreuzzeichen segnete. Danach tranken auch die Heiden von diesem Trunk. Da sie jedoch nicht auf Christus vertrauten, sondern auf ihre Götter setzten, hatten sie keinen Schutz und erblindeten. Matthias legte ihnen die Hände auf und erwirkte ihnen die Heilung der Augen durch Gottes Macht.

Die Gebeine des heiligen Matthias werden heute in Trier, in der Eucharius-Basilika der Benediktinerabtei St. Matthias verehrt. Sie sind durch Mitwirkung der heiligen Helena, welche auch das Kreuz Christi gefunden hatte, von Rom nach Trier übertragen worden. Das Matthiasgrab ist das einzige Apostelgrab nördlich der Alpen. Die letzten Worte des Glaubensbekenntnis „…und das ewige Leben“, sollen von Matthias stammen. Sein Gedenktag ist der 14. Mai.

Benedikt XVI. verbindet mit dem Leben der beiden Apostel noch einige mahnende Worte: „Viele meinen, an der Seite des Gottessohns könne man nichts anderes als gut werden. Und doch wurde Judas zum Verräter (vgl. Lk 6, 16). Jesus achtet die innere Freiheit des Jüngers, selbst wenn dieser sich schließlich in seinen Vorurteilen und im Eigenwillen verstrickt. Auch für jeden von uns besteht die Gefahr eines verstockten Herzens. Wir können dem vorbeugen, indem wir stets die innere Gemeinschaft mit dem Herrn suchen und in unserem Denken und Handeln an ihm Maß nehmen. Zudem haben wir die Gewißheit: Gott bezieht auch Menschen wie Judas in sein Heilswerk ein. Der Verräter liefert Jesus aus, und dieser gibt sich am Kreuz aus Liebe zu den Menschen hin. Und Matthias, auch er ein Zeuge des Wirkens Jesu, trägt diese frohe Botschaft der göttlichen Liebe hinaus in die Welt.                        (Quellen: kathpedia, wikipedia, heiligenlexikon.de)