Statue der Gottesmutter
Menü

Die Nacht vor seinem Leiden (17.04.2014)

Nachdem das letzte Abendmahl des Herrn beendet war, ging Jesus mit seinen Jüngern auf den Ölberg. Christus hat auf diesen Tag hin gelebt. Seine ganze Sehnsucht war es, mit seinen Jüngern dieses Mahl zu feiern, in dem er sich selbst schenkte – mit Leib und Blut. Die erste heilige Messe war nun in Vorwegnahme seines sühnenden Opfertodes zelebriert, jetzt rückte die Stunde heran, in der er sein Opfer vollbringen musste.

„Jesus wusste, dass seine Stunde gekommen war, um aus dieser Welt zum Vater hinüberzugehen.“ (Joh 13,1) Diese Stunde wollte er ganz bewusst annehmen. Im Garten Getsemane bat er die Jünger sich zu setzen und zu warten, während er sich zum Gebet zurückziehen beabsichtigte. Jene drei Apostel, die ihn auf dem Berg Tabor in seiner Verklärung sehen durften, wählte er auch diesmal aus, mit ihm zu kommen. Als er mit Petrus, Johannes und Jakobus allein war,

„ergriff ihn Angst und Traurigkeit, und er sagte zu ihnen: Meine Seele ist zu Tode betrübt. Bleibt hier und wacht mit mir!“ (Mt 26,38)

In der Stunde seiner größten Not tat Jesus das, was er ein Leben lang getan hatte: er ging ein Stück weiter, um mit seinem Vater allein zu sein. Einen Steinwurf entfernt von den drei Jüngern unterwarf er seinen Willen dem Willen des Vaters: „Mein Vater, wenn es möglich ist, gehe dieser Kelch an mir vorüber. Aber nicht wie ich will, sondern wie du willst.“

Zu seinen Jüngern zurückgekehrt musste er feststellen, dass sie eingeschlafen waren. Jesus war allein mit seiner Angst. Für jeden kommt irgendwann im Leben eine Ölbergstunde, jene Stunde, in der er dieser Verlassenheit ausgeliefert ist und eine sehr einsame Entscheidung treffen muss, eine Entscheidung, die niemand anderer für uns treffen kann. Jesus gibt uns in seinem Ringen um den Willen Gottes ein Beispiel. In diese Stunde hat er all unsere Ängste, all unsere Verlassenheiten, mit hinein genommen. Wie die Jünger sind auch wir oftmals nicht fähig bei ihm und mit ihm zu wachen. Jesus hätte sich in dieser Stunde das stützende Gebet seiner Apostel gewünscht. Er hatte vergeblich gehofft und musste zu allem Schmerz auch dies unerfüllte Hoffnung auf sich laden. Er sieht sich in diesem Kampf allein. Wie oft verlieren wir uns in Träumereien, in den Angelegenheiten der Welt oder verschlafen die Stunden, in denen Jesus uns brauchen würde.

Vor seinem zweiten Weggang zum einsamen Gebet versucht Jesus die drei Jünger aufzurütteln: „Wacht und betet, damit ihr nicht in Versuchung geratet. Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach.“ Selbst in seiner Todesangst gilt Jesu Sorge seinen Jüngern. Er wusste um ihre menschliche Schwäche, erfuhr er doch selbst gerade, wie schwach der Mensch angesichts des Leides und Todes ist. Für ihn ist Schwachheit ein Grund, um noch tiefer ins Gebet zu gehen. Abermals flehte er zum Vater: „Mein Vater, wenn dieser Kelch an mir nicht vorübergehen kann, ohne dass ich ihn trinke, geschehe dein Wille.“ Jesus fürchtete den Kelch des gerechten Zornes. Anders als bei einem unschuldigen Opferlamm wusste er, das Lamm Gottes, genau, was ihm bevorstand. In der Ewigkeit hat er beschlossen, auf die Erde herabzusteigen, Mensch zu werden, und den bitteren Kelch der Sühne für die gefallene Menschheit zu trinken – bis zur Neige.

Markus und Matthäus berichten, dass sich dieses Szenario des Wegganges zum Gebet und die Aufforderung zur Wachsamkeit dreimal wiederholte. Lukas beschreibt Jesu Angst genauer. Von ihm wissen wir, dass Jesu Angst so ausgeprägt war, dass sein Schweiß wie Blut zur Erde tropfte und das, obwohl ihm der Vater eine außerordentliche Gnade erwiesen hatte: Ein Engel kam zu Jesus und stärkte ihn für seinen letzten Weg, den er hier auf Erden gehen wird. Gestärkt durch diese himmlische Zuwendung nahm er unter Todesangst den Kelch aus des Vaters Hand an. Als Jesus sich den Willen Gottes zu Eigen gemacht hatte, kam er vom Gebet gekräftigt zu den schlafenden Jünger zurück und setzte seinen Entschluss sogleich in die Tat um: „Steht auf, wir wollen gehen! Seht, der Verräter, der mich ausliefert, ist da.“ Der Verräter, das sind wir alle. Jeder hat Jesus auf irgendeine Weise verraten – direkt oder in unseren Mitmenschen. Jeder hat Jesus schon den Kuss des Verrates auf die Wange gedrückt. Jeder von uns hat Jesus auch schon zu einem Gefangenen gemacht – ihn eingesperrt in die Kälte unseres Herzens. Und für jeden von uns lieferte sich Jesus in dieser Nacht aus, um uns vor Gott gerecht zu machen. Er war der Erste, der uns vergab, uns unsere Schuld nicht anrechnete. Seine Liebe hat uns freigesprochen, freigekauft. Jeden Tag haben wir vielfache Möglichkeiten, für unsere persönliche Schuld Genugtuung zu leisten, in dem wir Jesus unsere Liebe unter Beweis stellen. Bleiben wir bei ihm und wachen wir mit ihm – ihm zum Trost und uns zum Heil!

Herr Jesus Christus!
Lass uns dein heiliges, bitteres Leiden dankbar betrachten. Erfülle unser Herz mit treuer Liebe zu dir und mit aufrichtiger Reue über unsere Sünden. In Versuchungen und Leiden wollen wir deiner Todesangst am Ölberg gedenken, im Gebet wollen wir Kraft und Trost suchen und uns ganz in den Willen deines Vaters ergeben. Um diese Gnade bitten wir dich, durch die Verdienste deiner ersten Leidenstunde.

 

Herr Jesus Christus!
In jeder Versuchung mahne uns an dein bitteres Leiden und an unsere einstige Todesangst. So lass uns standhaft widerstehen. Wir nehmen uns ernst und fest vor: wir wollen nicht nachlässig und schläfrig werden im Beten und im geistlichen leben. Dein Beten und Leiden am Ölberg soll uns in jeder Versuchung stärken. So wird uns nichts von deiner Liebe trennen. Darum bitten wir dich, Herr Jesus Christus, durch die Verdienste deiner zweiten Leidensstunde. Amen.

 

Herr Jesus Christus!
Mit deiner Todesangst und dem blutigen Schweiß hast du unsere Erlösung angefangen. Deine Erniedrigung hat uns erhöht, dein Gehorsam hat uns frei gemacht und deine Todesangst hat uns mit Trost und Kraft erfüllt. Für all dies danken wir dir von ganzem Herzen und wollen jetzt und immer deine Liebe und Erbarmung preisen. Lass es aber nicht geschehen, dass du umsonst für uns gelitten hast, sondern mache uns der Früchte deiner Leiden teilhaftig.

 

Herr Jesus Christus!
Zieh uns an dich, stärke uns, wenn wir schwach werden wollen, wecke uns, wenn wir einschlummern möchten. Gib uns ein bußfertiges Herz! Dein Leiden auf dem Ölberg stehe uns auf allen Wegen unseres Lebens vor Augen. Es stärke uns im Kampf gegen die Sünde, es tröste uns in Schmerz und Trübsal. Wenn einmal unsere letzte Stunde kommt und die Todesangst auf uns niederfällt, dann, guter Jesus, lindere durch deine Todesangst die unsere und führe uns in die ewigen Freuden ein, die du uns durch dein bitteres Leiden erkauft hast. Um all dieses bitten wir dich durch die Verdienste deiner ersten, zweiten und dritten Leidensstunde. Amen.

 

Gebete aus einer Ölbergandacht aus dem Gebetbuch „Gottesdienst“ des Erzbistums München-Freising von 1950