Statue der Gottesmutter
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Einen Sohn wirst du gebären (25.03.2021)

Exakt neun Monate vor der Geburt unseres Herrn feiert die Kirche das Fest Maria Verkündigung, das seit der Kalenderreform 1969 als Hochfest der Verkündigung des Herrn begangen wird. Hatte der Festtag früher eine marianische Betonung, wird der Fokus heute vermehrt auf die Menschwerdung Gottes gelenkt.

Maria, der Überlieferung nach ein frommes Mädchen aus Nazareth, war ein Geschenk Gottes an ihre Eltern Joachim und Anna. Die unfruchtare Anna hat in hohem Alter ein Mädchen geboren, das mit drei Jahren an den Tempel übergeben wurde, um Gott einmal als Tempeljungfrau zu dienen. Doch Gott bereitete das Herz dieses Mädchens auf eine weitaus größere Aufgabe vor. Maria verließ den Tempel als junge Frau, weil sie mit Josef verlobt wurde. Man entließ sie in die Ehe. Aber Gottes Plan war ein größerer für die frisch Verlobten. Und weil sein Vorhaben Maria in das größte Geheimnis der Menscheit mithineinnehemen sollte, schickte er seinen Engel, um Maria diese Nachricht zu überbringen.

Der Erzengel Gabriel, dessen Name bedeutet „Meine Kraft ist Gott“ ist den Cherubim und Seraphim übergeordnet. Er gilt als zweitmächtigster Erzengel. Diesen Engel hat Gott mit einer einzigartigen Botschaft ausgerüstet, einer Frage, mit der er gewissermaßen um die Hand Marias anhält, um seinen für die ganze Menschheit bedeutungsvollen Plan umsetzen zu können.

Der Überlieferung nach trifft der Erzengel Maria bei der Arbeit an. Sie soll am purpurnen Garn für den Tempelvorhang gearbeitet haben – jenem Tempelvorhang, der zerreissen wird, wenn Jesus am Kreuz stirbt. Mitten in dieses Alltagsgeschehen hinein lässt sich der Engel vor Maria nieder und die Heilige Schrift berichtet uns dieses Ereignis: „Der Engel… sagte: Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mit dir. Sie erschrak über die Anrede und überlegte, was dieser Gruß zu bedeuten habe. Da sagte der Engel zu ihr: Fürchte dich nicht, Maria; denn du hast bei Gott Gnade gefunden. Du wirst ein Kind empfangen, einen Sohn wirst du gebären: dem sollst du den Namen Jesus geben.  Er wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden. Gott, der Herr, wird ihm den Thron seines Vaters David geben. Er wird über das Haus Jakob in Ewigkeit herrschen und seine Herrschaft wird kein Ende haben. Maria sagte zu dem Engel: Wie soll das geschehen, da ich keinen Mann erkenne? Der Engel antwortete ihr: Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten. Deshalb wird auch das Kind heilig und Sohn Gottes genannt werden. Auch Elisabet, deine Verwandte, hat noch in ihrem Alter einen Sohn empfangen; obwohl sie als unfruchtbar galt, ist sie jetzt schon im sechsten Monat. Denn für Gott ist nichts unmöglich.“

Während der Engel auf die Antwort Marias wartete, zitterte der ganze Himmel mit der bangen Frage: „Wird sie Ja sagen?“ Maria zögerte nicht und gab dem Erzengel folgende Botschaft für Gott mit in den Himmel: „Ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast. Danach verließ sie der Engel.“

Wie muss damals der ganze Himmel gejubelt haben – und wahrscheinlich auch Maria. Durch den Engel hat sich für Maria der Himmel ein Stück weit geöffnet – aber jetzt war sie mit einer neuen Wirklichkeit wieder allein.

Die Seher von Medjugorje berichten, dass es jedesmal schwierig für sie ist, wenn sich Maria bei den Erscheinungen wieder zurückzieht und sie mit dem irdischen Leben konfrontiert sind. Auch Maria muss das so ähnlich erlebt haben. Der Himmel war wieder verschlossen, die harte Wirklichkeit hat sie eingeholt. Ähnliche Erfahrungen können auch wir im Gebet machen. Immer wieder müssen wir uns von der Anbetung, vom Verweilen vor Gott lossagen, um unseren Alltag zu leben. Aber jede Gottesbegegnung stärkt den Menschen.

Die Bibel erzählt uns nicht, wann der Geist Gottes über Maria gekommen ist, und die Kraft Gottes sie überschattet hat.

Das größte Geheimnis der Menschwerdung Gottes geschah still in einem Moment, der der Welt verborgen bleibt. Vielleicht hat Gott sich über seine Magd gesenkt, unmittelbar nachdem der Engel verschwunden war, möglicherweise auch erst in der Nacht. Der Psalm 110, der auf Christus gedeutet wird, verrät uns: „Ich habe dich gezeugt noch vor dem Morgenstern, wie den Tau in der Frühe.“

Das Bild des Taus, ist bezeichnend für die Zeugung Christi: Gott senkte sich vom Himmel herab auf Maria, die Braut des Heiligen Geistes, wie sich der Tau aus der Luft auf das Gras legt. Es ist eine einzigartige Berührung Gottes, die Maria in jener Nacht erfährt. Diese Berührung hinterlässt als Frucht den Sohn Gottes, der in Marias Leib heranwächst und neun Monate später ebenso in einzigartiger Weise den Schoß der Gottesmutter verlassen wird. Sowohl die Zeugung als auch die Geburt verletzten die Jungfräulichkeit Marias nicht.

 

Michelangelos Bild zeigt sehr deutlich diesen unüberwindbaren Spalt zwischen Gott und dem Menschen. Dieser Spalt ist zwischen Gott und der Maria, der Unbefleckten Empfängnis, durch ihre Vorerlösung aufgehoben, sodass sie von Gott berührt werden konnte.

In dieser Berührung geschah das, was sich kein Mensch hätte vorstellen können. Leo der Große beschreibt in einem Brief an Flavian dieses Ereignis der Menschwerdung Gottes: „ Die Majestät hat die Niedrigkeit angenommen, die Kraft die Schwachheit, das Ewige die Sterblichkeit. Um die Schuld zu lösen, die auf uns lastet, verband sich die unverletzliche Natur mit der leidenfähigen. Das Heilmittel entsprach unserer Lage: der eine und derselbe Mittler zwischen Gott und dem Menschen, der Mensch Jesus Christus, sollte in der einen Natur sterben können, in der anderen nicht. …

… Er nahm Sklavengestalt an, ohne sich mit der Sünde zu beschmutzen. Er erhöhte das Menschliche, ohne das Göttliche zu mindern; denn die Entäußerung, in der sich der Unsichtbare sichtbar darbot und der Herr und Schöpfer aller Dinge ein Sterblicher sein wollte, war eine Herablassung der Barmherzigkeit, nicht eine Einbuße an Macht. Er, der in der Gestalt Gottes den Menschen schuf, er wurde in Sklavengestalt ein Mensch.

Der Sohn Gottes tritt also in unsere Welt ein, steigt vom Thron des Himmels herab und wird in einer neuen Ordnung und in einer neuen Geburt gezeugt, ohne sich der Herrlichkeit des Vaters zu begeben.“

Leo der Große beschreibt nachfolgend diese neue Ordnung: „Unsichtbar in seinem Bereich, wurde er sichtbar in dem unsrigen; unfassbar, wollte er sich fassen lassen; er blieb überzeitlich und begann doch ein Dasein in der Zeit; der Herr des Weltalls verhüllte seine unermessliche Herrlichkeit und nahm Sklavengestalt an; Gott, der keines Leidens fähig ist, weigerte sich nicht, ein leidensfähiger Mensch zu werden und sich, obwohl unsterblich, dem Gesetz des Todes zu unterwerfen.

Der wahrer Gott ist, ist wahrer Mensch, und an dieser Vereinigung ist nichts trügerisch. Menschliche Niedrigkeit und Erhabenheit Gottes sind in ihr ja verbunden.“

 

Im nächsten Abschnitt geht Leo der Große noch tiefer in dieses Geheimnis hinein: „Denn wie sich Gott durch sein Erbarmen nicht änder, so wird der Mensch nicht aufgehoben durch die göttliche Würde. In der Gemeinschaft mit der anderen Natur tut eine jede, was ihr zukommt: Das Wort wirkt, was des Wortes ist, der Mensch vollbringt, was des Menschen ist. Die eine Natur leuchtet in den Wundern auf, die andere unterliegt den Schmähungen, und wie das Wort die Wesensgleichheit mit dem Vater nicht aufgibt, so verlässt der Mensch das Wesen unseres Geschlechtes nicht.

Immer wieder muss es gesagt werden: einer und derselbe ist wahrhaft Sohn Gottes und Menschensohn, Gott dadurch, dass er „im Anfang das Wort war und das Wort bei Gott und das Wort Gott war“, und Mensch dadurch, dass „das Wort Fleisch wurde und unter uns wohnte“.“