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Festschrift zum 150-Jahrjubiläum (30.05.2015)

Anlässlich des 150-jährigen Bestehens unserer Gemeinschaft hat Dr. Peter Wiesflecker vom Steiermärkischen Landesarchiv eine Festschrift mit dem Titel „Ihr geht auf Mission!“ verfasst und bei der Jubiläumsfeier vorgestellt.

Die kurze Einführung von Dr. Wiesflecker können Sie hier nachlesen und damit einen kleinen Streifzug durch unsere Geschichte machen. Die Festschrift können sie auf Anfrage bei uns oder über den Handel (ISBN 978-3-7086-0868-6) erwerben.

Vorstellung der Festschrift „Ihr geht auf Mission!“

Dr. Peter Wiesflecker

Exzellenz, Hochwürdigster Herr Bischof, sehr geehrter Herr Landesrat, verehrter Herr Prälat, ehrwürdige Schwestern, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Ihr Jubiläum haben die Vorauer Marienschwestern zum Anlass genommen, in einer Festschrift die Entwicklung die ihre Gemeinschaft seit der Gründung vor 150 Jahren genommen hat, darzustellen. Der Band, den ich heute namens der Vorauer Schwestern, aber auch namens der Mitautorinnen und Mitautoren, präsentiere, versteht sich nicht nur als Heranführung an die Geschichte dieser geistlichen Frauengemeinschaft, sondern insbesondere auch als Einladung der Kommunität, einen Einblick in ihren Alltag, ihr Ordenscharisma und in ihr Apostolat zu tun.

Die Gründungsgeschichte der Vorauer Marienschwestern führt uns in eine Zeit zurück, in der die durch Jahrhunderte festgefügten ökonomischen und sozialen Strukturen, klar bestimmte Rollenbilder vorgaben und an Frauen Erwartungshaltungen formulierten, die im Regelfall auf eine Versorgung in Ehe und Familie hinausliefen. Ein geistliches Leben zu führen, hieß damals, in einen Orden oder eine Kongregation einzutreten. Die Wenigzeller Bauerntochter Barbara Sicharter wählte einen anderen Weg, um ein gleichermaßen selbstbestimmtes, wie geweihtes Leben zu führen.

Der Beginn: 30.05.1865

Mit Unterstützung des Vorauer Chorherren Karl  Engelhofer, der wie wir heute schon gehört haben, zum geistlichen Begleiter wurde, begann sie am 30.05.1865 gemeinsam mit Agnes Wasserbauer, in dem von ihr gemieteten Toni Häusl in Vorau ein Leben nach ihrem eigenen Entwurf, um, wie es später die Chronik ihrer Gemeinschaft festhalten sollte, ich zitiere daraus: „Gott, durch Gebet, Entsagung, Abtötung, und Arbeit zu dienen“.

Karl Engelhofer war es, der der vorerst aus Barbara Sicharter, Agnes Wasserbauer, Theresia Feldhofer und Johanna Schöngrundner bestehenden Hausgemeinschaft eine Alltags- und in gewissem Sinn auch Lebensordnung gab. Im Mittelpunkt ihres gemeinsamen Lebens, das sich von Beginn an Elementen eines Ordenslebens orientierte, stand das Gebet. Handarbeiten sollten ein kleines Zusatzeinkommen verschaffen, ehe Engelhofer den vier Frauen die Kranken, Siechen, Armen und Altenpflege als weitere Aufgabe und konkretes Apostolat zuwies. Eine medizinische Grundversorgung war in dieser Zeit am Land kaum gegeben. Die Frauen aus Vorau fanden hier ein reiches Betätigungsfeld. Was zudem für sie sprach, war der Umstand, dass sie auf Grund ihrer Herkunft bei ihrer Tätigkeit im bäuerlichen Haushalt vielseitig einsetzbar waren.

Blaue Schwestern

In ihrer äußerlichen Erscheinung unterschieden sich die Frauen zuerst nicht von ihrer Umgebung. Ihre Kleidung richtete sich nach den regionalen Gepflogenheiten mit blauen Kleidern, blauen Schürzen, blauen Kopftüchern. Aus dieser Zeit stammt daher auch die erste Bezeichnung für die Gemeinschaft, die wir heute auch schon gehört haben, blaue Schwestern. Teile der Öffentlichkeit reagierten in den ersten Jahren auf die Tätigkeit Barbara Sicharters und ihrer Gefährtinnen mit Kritik. Manche stießen sich an den, wie sie es nannten, „Betschwestern“. Andere wiederum meinten, sollte das Beispiel Schule machen, würde ihnen das die besten Dienstmägde wegnehmen.

Doch zunehmend verstummten solche Anfeindungen. Im Gegenteil. Das Toni Häusl war bald zu klein geworden, so dass Barbara Sicharter 1876 ein Objekt ankaufte, indem sie mit Zustimmung der Bezirkshauptmannschaft Hartberg ein Privatkrankenhaus für 16 Patienten einrichtete. Seit 1880 waren die Schwestern zudem im Bürgerspital in Pöllau eingesetzt. 1885 erfolgte ein Erweiterungsbau des Vorauer Standortes, 1897 auf Empfehlung des Kaiserlichen Stadthalters der Steiermark, die Gründung eines Vereins, um das Werk abzusichern. In den Jahren 1901 bis 1903 folgte ein neuerlicher Aus- und Umbau des Krankenhauses in Vorau.

Tod der Gründerin: 09.02.1905

Als Mutter Barbara am 09.02.1905 starb, stand ihre Gründung auf einer soliden Basis, auf der ihre ersten Nachfolgerinnen, Josefa Schweitzer und Theresia Hohensinner, unterstützt von den Vorauer Chorherren, insbesondere später durch Propst Prosper Berger aufbauen konnten. Mit der rechtlichen Absicherung hatte die Gemeinschaft weiter an Attraktivität gewonnen. In ihrer äußeren Erscheinung glichen sich die Mitglieder 1898 einer geistlichen Gemeinschaft an, indem sie nun mehr bereits eine ordensähnliche Kleidung trugen.

Die Jahrzehnte des Aufbaus hatten jedoch auch ihre Kehrseiten. Der Zeit und kräfteraubende Dienst im Krankenhaus, insbesondere aber in der Hauskrankenpflege, für die mitunter weite Wegstrecken zurückgelegt werden mussten, führte manches Mitglied an die Grenze seiner physischen und psychischen Belastbarkeit. Barbara Sicharter sah diese Tätigkeit jedoch als Mission. In Anlehnung daran, den Grundauftrag der Gemeinschaft, die Kranken-, Siechen-, Armen- und Altenpflege, eben als Missionstätigkeit zu sehen, wurde daher der ihr zugeschriebene Satz „Ihr geht auf Mission“ auch von uns als Titel der Festschrift gewählt.

Wenn gleich wir die Geschichte der Kommunität heute hier nur streiflichtartig beleuchten können, ergibt sich doch eine beeindruckende Zusammenschau des kollektiven Lebenswerks jener rund 200 Frauen, die seit 1865 in diese Gemeinschaft eingetreten sind und an deren Spitzte nach Barbara Sicharter, nach Josefa Schweitzer und Theresia Hohensinner, die Generaloberinnen Hildegard Kogelbauer, Reginalda Jauk, Bernadette Postl und Marianne Schuh gestanden waren bzw. stehen.

Filialen und Niederlassungen

Als Marksteine mögen hier die Gründung der Filialen und Niederlassungen, Pöllau 1880, Weiz 1908, Schäffern 1913, Pinggau 1928, Graz mehrfach seit 1934, Gleisdorf 1936, Hartberg 1940 genannt werden. Weiters die großen Umbau und Erweiterungsarbeiten des Vorauer Krankenhauses zu Beginn der 1930er Jahre, jene zwischen 1957 und 1963 bis hin zu jenen der jüngeren Vergangenheit, die den Vorauer Standort nachhaltig abgesichert und seine Entwicklung hin zur modernen multifunktionalen Heilstädte ermöglicht haben. Einen Einblick in dieses Krankenhaus gibt auch die Festschrift.

Vor allem ist bei diesem Rückblick auch des Jahres 1928 zu gedenken, als die Vorauer Gemeinschaft, deren Mitglieder bis dahin nur durch Privatgelübde gebunden waren, durch Fürstbischof Ferdinand Pawlikowsky, in eine Kongregation Bischöflichen Rechts umgewandelt wurde.

Die Festschrift versteht sich, wie bereits gesagt, nicht nur als Darstellung der Entwicklung einer Ordensgemeinschaft von 1865 bis heute, sondern auch als Einblick, Einladung, Einblicke in jene Bereiche einer Ordensgemeinschaft zu tun, die einem Blick von außen zumeist entzogen sind. Den Vorauer Marienschwestern ist es ein besonderes Anliegen, zu vermitteln, dass geweihtes Leben in seinen unterschiedlichen Entwürfen auch im 21. Jahrhundert möglich – und im wahrsten Sinne des Wortes – sinnvoll ist. Dies soll insbesondere auch durch jene Teile der Festschrift erfolgen, in denen das Selbstverständnis der Gemeinschaft und der Ordensalltag einst und heute dargestellt werden.

Wie jede Gemeinschaft waren auch die Vorauer Marienschwestern immer wieder aufgerufen, sich den Herausforderungen des klösterlichen Alltags und der jeweiligen Zeit zu stellen. Die Mutter Generaloberin hat es heute schon angesprochen. Die kleiner werdende Zahl an Berufungen seit den frühen 1960er Jahren, die Neupositionierungen im Zuge des II. Vaticanums , die Aufgabe von Standorten oder der alten Struktur des Konvents können hier als jene Zeitabschnitte vermerkt werden, die die Kommunität vor große Herausforderungen stellte.

Wir lesen in der Festschrift „Jede Veränderung, jede Anpassung an die Erfordernisse der Zeit und insbesondere jede Neuorientierung, können Ängste hervorrufen oder von Unsicherheit begleitet sein. Auch unsere Gemeinschaft machte diese Erfahrung.“, hält die derzeitige Generaloberin dazu in der Festschrift fest. Zugleich bot dies die Möglichkeit, das Gründungscharisma in seiner Vielfalt zu erkennen und weiter zu entwickeln, hin etwa zu einem Gebetsapostolat und der nicht nur medizinischen, sondern auch seelsorglichen Betreuung.

Leben nach den evangelischen Räten der Armut, des Gehorsams und der Keuschheit

In der heute präsentierten Festschrift kommen Mitglieder der Kommunität selbst zu Wort. Sie zeichnen dabei ihren persönlichen Weg in die Gemeinschaft nach und wollen damit, wie sie sagen, „Mut machen, auf den Anruf Gottes eine Antwort zu geben“. Unverwechselbar und einzigartig wie die Biographie jedes Menschen ist, sind auch diese Schilderungen, die zum Teil sieben Jahrzehnte zurückführen. Ein Leben nach den evangelischen Räten der Armut, des Gehorsams und der Keuschheit ist in seiner Radikalität und in seiner Reduktion auf das Wesentliche ein Kontrapunkt zu den vielen Lebensentwürfen unserer Zeit.

Die Geschichte der Vorauer Marienschwestern ist auch die Summe solcher Lebensentwürfe wider den Zeitgeist. Die Frauen, die sich beginnend mit Barbara Sicharter und Agnes Wasserbauer seit 1865 in den Dienst ihrer Nächsten gestellt haben, waren und sind als Gemeinschaft, aber auch jede persönlich als Teil des Volkes Gottes durch ihre Zeit unterwegs.

Die Vorauer Marienschwestern haben sich durch ihren Dienst an Gott und an den Menschen in die Geschichte dieser Region und in die Geschichte der steirischen Kirche nachhaltig hineingeschrieben. Ebenso nachhaltig sind sie in den Biographien zahlreicher Menschen, denen sie im Rahmen ihrer Tätigkeit begegnet sind und begegnen, verankert. In einem breiten, nicht nur dem lokalen und regionalen Bewusstsein sind sie dadurch mehrfach verortet und vielfach präsent.

Vor allem jedoch waren und sind die Vorauer Marienschwestern durch ihr geweihtes Leben, durch ihr Werk, durch ihr Apostolat, das, worauf Papst Johannes Paul II. 1996 in seinem Schreiben „Vita consecrata“ über das Ordensleben deutlich hingewiesen hat: „Ein Zeichen in Kirche und Welt“ und sie sind, um ein weiteres Wort dieses Papstes aufzunehmen, ich zitiere ihn „Ein für die Gegenwart und für die Zukunft des Gottesvolkes kostbares und unerlässliches Geschenk“. Ad multos annos!