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Josef, Schatten des Vaters – Teil 2 (19.12.2021)

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Im letzten Abschnitt des Apostolischen Schreibens „Patris corde“ von Papst Franziskus zum mittlerweile am 08. Dezember ausgeklungenem Josefsjahr schauen wir nochmals auf die Aufgabe des heiligen Josef, Schatten des Vaters zu sein:

„Josefs Glück gründet sich nicht auf die Logik der Selbstaufopferung, sondern der Selbsthingabe. Man nimmt bei diesem Mann nie Frustration wahr, sondern nur Vertrauen. Sein beharrliches Schweigen ist nicht Ausdruck der Klage, sondern immer konkreten Vertrauens.“

Gerade wenn es um das Vertrauen geht, ist Josef uns ein außergewöhnliches Beispiel darin, von Gott alles Gute zu erwarten. Josef hat so viel Not erlebt – bis hin zur Flucht nach Ägypten; aber nie hat er an Gott gezweifelt oder gegen ihn aufbegehrt. Nie wäre er ihm mit dem Vorwurf „Wie konntest du das zulassen!“ entgegengetreten.

Wie würde Josef mit der Not unserer Zeit umgehen? Josef hat die Widrigkeiten seiner Zeit geduldig ertragen, angenommen und ist den damaligen Vorgaben demütig nachgekommen. Er war kein Rebell, kein Verschwörer, kein Richter, sondern hat in allem Gottes Vorsehung zu erkennen gesucht. Wir dürfen nicht vergessen, dass sein Land damals unter römischer Herrschaft stand. Die Juden waren kein freies, selbstbestimmtes Volk.

Sie waren von fremden Herren geknechtet und warteten sehnsüchtig auf einen Messias, der ihnen die irdische Freiheit wiedererlangte. Aber Josef hat nicht alles in Frage gestellt, hat sich nicht aufgelehnt, sondern auch darin die Hand Gottes gesehen. Seine väterliche Ruhe und Geduld in schwierigen Lebenssituationen still zu betrachten, kann eine Hilfe sein für jene, welche die Gelassenheit verloren haben und sich von Ängsten treiben lassen. Diese Ruhe ist das Resultat seines Gottvertrauens, das durch nichts erschüttert werden kann. Sein Vertrauen entspringt seiner Gottesliebe, in der sich Josef als Kind des Vaters erfährt, das sich in allen Lebenslagen in Gott geborgen und getragen weiß.

Er weiß, dass die Lebensmelodie, die geprägt ist durch die Ereignisse der Zeit, die mal schöner und mal weniger schön, vielleicht sogar bedrohlich klingt, auch eine Begleitmusik hat, welche von Gott kommt. Sie ist die ewige Konstante in seinem Leben, die ihn trägt und ruhig sein lässt und auf die er sein Gehör richtet, um sich vom musikalischen Auf und Ab des Lebens und der Gesellschaft nicht beunruhigen und verwirren zu lassen.

Weil Josef gelernt hat, Gottes vertrauensvolles Kind zu sein, das seine Augen auf den Vater gerichtet hat, das auf die zärtlichen Regungen dieser göttlichen Liebe geachtet hat, kann Josef nun auch der Nährvater Jesu sein. Josef ist Gott Vater so ähnlich geworden, dass Gott ihm seinen Sohn ruhigen Gewissens anvertrauen konnte. Josef war Jesus eine Brücke zum Vater, ein Spiegelbild des Vaters, in dem Jesus seine wahren Vater im Himmel finden konnte.

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Es ist die Berufung eines jeden Mannes, Vater zu werden. Die einen werden leibliche Väter, die anderen geistliche Väter in ihrer Berufung zum Priester oder Ordensmann. Papst Franziskus betont:

„Die Welt braucht Väter, Despoten aber lehnt sie ab, also diejenigen, die besitzergreifend sind, um ihre eigene Leere zu füllen; sie lehnt die ab, die Autorität mit Autoritarismus verwechseln, Dienst mit Unterwürfigkeit, Auseinandersetzung mit Unterdrückung, Nächstenliebe mit übertriebener Fürsorge, Stärke mit Zerstörung. Jede wahre Berufung kommt aus der Selbsthingabe, die die reifere Form des bloßen Opfers ist. Auch im Priestertum und im geweihten Leben ist diese Art von Reife erforderlich. Dort, wo eine eheliche, zölibatäre oder jungfräuliche Berufung nicht die Reife der Selbsthingabe erreicht und allein bei der Logik des Opfers stehen bleibt, wird sie kaum zu einem Zeichen für die Schönheit und die Freude der Liebe werden, sondern womöglich den Eindruck von Unglück, Traurigkeit und Frustration erwecken.“

 

Ein guter Vater wird der, der sich täglich Zeit nimmt auf Gott Vater zu schauen, um herauszufinden, wie er den Menschen Vater ist. Der empfehlenswerte Film „Courageous – ein mutiger Weg“ (https://streamcloud-deutsch.com/movie/72213/courageous-ein-mutiger-weg.html#) zeigt auf, dass es für Familienväter eine wirkliche Herausforderung ist, die Vaterschaft von Gott her anzunehmen und zu leben. Sie ist aber auch durchaus beglückend und erfüllend. Echte, gelebte Vaterschaft macht Männer wirklich zu einem Schatten des himmlischen Vaters, der das Leben der Kinder begleitet und den Blick, wie auch den Weg, zu Gott freigibt. Gelebte Vaterschaft ist ein Geschenk an jedes Kind.

 

„Eine Vaterschaft, die der Versuchung widersteht, das Leben der Kinder zu leben“, sagt Papst Franziskus, „eröffnet immer neue Räume. Jedes Kind trägt ein Geheimnis in sich, etwas noch nie Dagewesenes, das nur mit Hilfe eines Vaters zur Entfaltung gebracht werden kann, der seine Freiheit respektiert; eines Vaters, der sich bewusst ist, dass sein erzieherisches Handeln erst dann zum Ziel kommt und dass er erst dann sein Vatersein ganz lebt, wenn er sich „nutzlos“ gemacht hat, wenn er sieht, dass das Kind selbständig wird und allein auf den Pfaden des Lebens geht, wenn er sich in die Situation Josefs versetzt, der immer gewusst hat, dass das Kind nicht seines war, sondern einfach seiner Obhut anvertraut worden war.“

Die Zeit der Pubertät, in der Jugendliche in ihrer Auflehnung mitunter unerträglich werden können, ist ein Anruf an die Väter, ihre Kinder geführt loszulassen. Es wäre ein Trugschluss, dass Väter in der Pubertät nicht mehr gebraucht würden. Gerade jetzt, in dieser Auflehnung, die zur Abnabelung vom Elternhaus notwendig ist, brauchen die Teenes einen Papa, der ihr Selbstvertrauen stärkt, indem er für sie da ist.

Einen Papa, zu dem sie aufschauen können, an dem sie sich – in aller Freiheit –  orientieren können. Dieser Papa in der Familie muss dieselbe Konstante in ihrem Leben sein, wie Gott Vater es ist, der immer für uns da ist, ohne uns zu beherrschen. In einer geglückten Vaterschaft geben Väter ihren Kindern entsprechend ihrer Entwicklung immer mehr Freiraum.

 

Das Paradoxe ist, dass gerade dieser Freiraum den Kindern die Möglichkeit bietet, die Bindung an den Vater zu stärken. Sie erleben in dieser Freiheit, dass sie nicht gebunden sind, sondern sich selber an den binden können, der ihnen Halt zu geben vermag.

 

Dieses Prinzip der Liebe – Bindung durch Freiheit – wendet Gott an uns Menschen seit jeher an. Auch Jesus hat dieses Prinzip gelebt. Als sich viele Menschen von Jesus abwandten, weil sie seine Worte nicht ertragen konnten, sagte er zu seinen ebefalls murrenden Aposteln: „Wollt auch ihr gehen?“ (Joh 6,67) Petrus erfährt in diesem Augenblick, dass er von Jesus nicht gebunden ist, dass er freie Wahl hat. Und er merkt, dass er trotz Freiheit nur eine gute Wahl treffen kann: Jesus. „Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens!“ In dieser Freiheit wird aus dem murrenden Jünger ein treuer Apostel, der erkannt hat, dass er nur in der Bindung an Jesus sein Glück findet.

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Gott lässt uns immer Freiraum in der Hoffnung, dass wir zu ihm zurückkehren. Josef, der diese Methode der Liebe von Gott Vater selbst erfahren und erlernt hat, hat diese selbstlose Liebe an seinen Ziehsohn Jesus weitergegeben. Und Jesus, der das Vater sein vom heiligen Josef gelernt hat, ist seinen Jüngern gegenüber ein väterlicher Freund gewesen. Er führt sie mit väterlicher Liebe, die immer selbstlos ist. Sie beinhaltet zwar Autorität, die in entsprechenden Momenten auch ausgeübt werden muss, aber benötigt das Freisein vom Eigennutz und dient ausschließlich dem Wohl und dem Schutz der anvertrauten Seele.

 

Diese Freiheit in der Vaterbeziehung zeigt Jesus ganz deutlich auf im Gleichnis vom verlorenen Sohn. Der Vater lässt den Sohn ziehen, wenngleich er auch selbst vor Schmerz und Sehnsucht nach ihm vergeht. Die Liebe nimmt sich selbst zurück. Paulus, der das Wesen der Liebe zutiefst erfasst hat, schrieb an die Korinther (1 Kor 13): „Die Liebe ist langmütig, die Liebe ist gütig. Sie ereifert sich nicht, sie prahlt nicht, sie bläht sich nicht auf. Sie handelt nicht ungehörig, sucht nicht ihren Vorteil, lässt sich nicht zum Zorn reizen, trägt das Böse nicht nach. Sie freut sich nicht über das Unrecht, sondern freut sich an der Wahrheit. Sie erträgt alles, glaubt alles, hofft alles, hält allem stand. Die Liebe hört niemals auf.“ So hat auch die Liebe des Vaters im Gleichnis niemals aufgehört. Paulus beschließt das Hohelied der Liebe mit den Worten: „Für jetzt bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; doch am größten unter ihnen ist die Liebe.“

 

Der Vater im Gleichnis, der Vater im Himmel, hört niemals auf, uns zu lieben. Er glaubt und hofft, dass das Gute in uns siegen wird. Er wartet auf die Rückkehr der verlorenen Söhne. Was die Väter dieser Erde verstehen müssen ist, dass sie Hüter der verlorenen Söhne und Töchter Gottes sind – wie Josef, der Hüter des Sohnes Gottes war. Franziskus erklärt weiter:

 

„Im Grunde ist es das, was Jesus zu verstehen gibt, wenn er sagt: „Auch sollt ihr niemanden auf Erden euren Vater nennen; denn nur einer ist euer Vater, der im Himmel“ (Mt 23,9). Unter allen Umständen müssen wir bei der Ausübung von Vaterschaft immer darauf achten, dass sie nie besitzergreifend ist, sondern zeichenhaft auf eine höhere Vaterschaft verweist. In gewisser Weise sind wir alle immer in Josefs Lage: Wir sind „Schatten“ des einen Vaters im Himmel, der seine Sonne aufgehen lässt über Bösen und Guten und regnen lässt über Gerechte und Ungerechte (vgl. Mt 5,45); und wir sind „Schatten“ in der Nachfolge des Sohnes.“

Papst Franziskus schließt das Apostolische Schreiben „Patris corde“ mit den Worten:

„So wollen wir nun vom heiligen Josef die Gnade aller Gnaden erflehen – unsere Bekehrung. Zu ihm lasst uns beten:

Sei gegrüßt, du Beschützer des Erlösers
und Bräutigam der Jungfrau Maria.
Dir hat Gott seinen Sohn anvertraut,
auf dich setzte Maria ihr Vertrauen,
bei dir ist Christus zum Mann herangewachsen.

O heiliger Josef, erweise dich auch uns als Vater,
und führe uns auf unserem Lebensweg.
Erwirke uns Gnade, Barmherzigkeit und Mut,
und beschütze uns vor allem Bösen. Amen.

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