Statue der Gottesmutter
Menü

Ostermontag – 1. Emmausgang (06.04.2015)

Am ersten Tag nach Ostern sind wir liturgisch mit den beiden Jüngern unterwegs

auf dem Weg nach Emmaus

 

Am Nachmittag hatten wir erstmals zu einem gemeinsamen Emmausgang geladen, den wir aber wegen des unwirtlichen, beinahe winterlichen Wetters in die Kapelle verlegten.

Prof. Rigger führte uns anhand des Evangeliums und mit Betrachtungen zur Emmaus-Perikope durch die eucharistische Anbetung.

Die Predigt von der Frühmesse können Sie hier nachlesen.

Predigt vom Ostermontag Prof. Dr. Hansjörg Rigger

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Meine Gedanken wandern heute nach Palästina, also in das palästinensische Gebiet mitten in Israel, in ein kleines palästinensisches Dörfchen Kubaibe. Das ist eines der Emmaus. Insgesamt werden die Touristen, je nachdem ob sie sich auf dem Weg zum Flughafen oder sonst irgendwohin befinden, zu einem dieser Emmaus hingeführt, aber eines, das Kleinste, ist Kubaibe vor den Toren Jerusalems. Mein Gedanke geht zu Olah. Olah ist vielleicht 25, vielleicht 30 Jahre alt. In der Zwischenzeit kann sie fast schon aufrecht gehen. Einige Gewohnheiten aus ihrer schrecklichen Kindheit hat sie noch nicht abgelegt. Wenn sie gut zu Essen bekommt, gibt sie das Essen zuvor in den Mund, durchspeichelt es, um es dann in kleinen Knödelchen auf die Seite zu legen, denn sie war behindert zur Welt gekommen und wurde von ihrer Geburt an quasi in einem Stall mit anderen Tieren weggesperrt. Als sie ungefähr 20 Jahre alt wurde, haben christliche Schwestern, Salvatorianerinnen sie gefunden und rausgeholt. Wenn man, liebe Brüder und Schwestern, bei uns mit älteren Schwestern redet, ich weiß nicht ob es so hier bei Ihnen war, aber bei uns in Südtirol, bei den Barmherzigen Schwestern erzählen sie, dass sie Anfang des 20. Jahrhunderts ähnliche Aufgaben hatten: Menschen aus den Ställen zu holen. Das waren Kranke, das waren Behinderte. Man wusste nicht, was mit ihnen machen sollte. Diese Schwestern gingen von Hof zu Hof und nahmen sich dieser Ärmsten der Armen an. Und deswegen geht mein Gedanke heute an Olah, an ihr Lachen, an die Freude, die zurückgekommen ist, und auch an jene Schwester, die sie wie eine Mutter betreut. Und das ganze geschieht in Emmaus. Olah wird man nicht erklären können, was es mit Jesus Christus auf sich hat. Olah wird man nicht eine Stunde lang eine Katechese halten können, aber glauben Sie mir, dass Olah Christus schon begegnet ist? Dass sie ihm tagtäglich begegnet, wenn ihr die nasse Windel gewechselt wird, wenn ihr geholfen wird unter die Dusche zu gehen, wenn sie so reichlich Nahrung vorfindet, dass sie aus ihrer Erinnerung heraus immer noch einen kleinen Vorrat auf die Seite schafft. Olah weiß nichts von Christus und ist doch Christus begegnet. Und diese Begegnung mit Christus hat ihr Leben geändert, hat ihrem Leben einen Sinn gegeben, eine Wende.

Das ist Emmaus, liebe Brüder und Schwestern, da waren Jünger aufgebrochen, weg von Jerusalem, weg von dem Ort des Scheiterns, weg von dem Ort der Katastrophe und ein großes Ziel hatten sie offensichtlich nicht vor Augen, denn wer heute Kubaibe sieht, der sagt – ich weiß nicht, was man hier bei Ihnen sagen müsste – das wäre noch nicht einmal ein kleiner Weiler, den Sie vielleicht kennen, aber die Welt außerhalb der Steiermark kennt diesen Ort ganz bestimmt nicht. Und so war es auch damals gewesen, sie waren nicht aufgebrochen mit wehenden Fahnen, sondern sie waren geflohen. Sie wollten nur früher oder später nach Galiläa zurück und schauen, dass sie ihrem Alltag wieder Ordnung geben. Wer weiß, ob diese Jünger von denen die Rede ist, nicht ein Ehepaar war, denn einer der Jünger wird namentlich genannt das ist Klopas. Und nur in diesen Tagen, wenige Tage davor, hörten wir von seiner Frau, die unter dem Kreuz ausgeharrt hatte, die zu den letzten und ersten Zeuginnen gehörte, Maria die Frau des Klopas. Für die damalige Zeit wäre es unvorstellbar gewesen, dass dieser Klopas alleine aufgebrochen ist nach Galiläa und seine Frau zurückgelassen hätte. Unvorstellbar! Gesagt wird es nicht, aber vermuten könnte man es, er hatte natürlich die Frau mit dabei.

Und es geschieht etwas, von dem war gestern schon die Rede, von dieser Blindheit, sie waren wie von Blindheit geschlagen. Das ist die Blindheit die wir alle kennen. Das ist die Blindheit, überall dort, wo uns die Sicht durch die Tränen genommen wird, wo uns die Sicht durch Dunkelheit, die in unser Leben einbricht, genommen wird, wo wir nicht mehr aufschauen können und selbst wenn wir etwas sehen, dann haben wir nicht die Kraft aufzubrechen, dann haben wir nicht den Mut etwas Neues zu machen, den Neuanfang zu wagen, manchmal haben wir noch nicht einmal die Lust dazu. Uns ist die Lust vergangen. Liebe Brüder und Schwestern, das ist die Situation am Anfang dieser Emmaus-Perikope. Wir hatten gehofft, sagen sie, wir hatten gehofft – da steckt so vieles drinnen. Enttäuschung, vielleicht: auch wir haben einen Fehler gemacht. Aber vor Gott gesprochen, könnte man auch sagen, wir hatten gehofft, ich hatte gehofft, aber die Verheißungen die du mir gegeben hast, sie haben sich nicht erfüllt.

Ich hatte gehofft, Liebe Brüder und Schwestern, wann haben Sie dass das letzte Mal gesagt. Ich hatte gehofft, oder haben Sie schon aufgehört das zu sagen, sagt man das nur am Anfang in den ersten Jahren einer Ehe zum Beispiel, in den ersten Jahren eines Ordenslebens? Ich hatte gehofft und irgendwann hat man sich in alles hineingewöhnt und man lässt es halt über sich ergehen. Ich hatte gehofft, … ja was hatte ich gehofft, was hatte ich mir erwartet?

Ja, die Jünger hatten gleich alles erhofft: die Rettung Israels. Vielleicht reichet unsere Hoffnung gar nicht mal bis zur Rettung Israels, sondern unsere Hoffnungen haben mit unserem Alltag zu tun, haben mit der Sehnsucht zu tun, dass unser Leben gelingt, das unser Leben glücklich ist, dass das gelingt, was wir anfangen, dass die Enttäuschungen nicht zu groß sind. Dass uns gelingt, den anderen etwas zu vermitteln und vieles anderes mehr. Und immer wieder, ich hatte gehofft, aber es ist nicht eingetreten. Ich wurde enttäuscht. Liebe Brüder und Schwestern und da kommt der Herr dazu und er kommt, wie er auch in unser Leben eintritt, unscheinbar, leise.

Und er beginnt zu erklären, aber die Erklärung nützt nichts, selbst Jesus geht es so, wie es vielen Bibelwissenschaftlern geht, die Erklärung nützt nichts. Auch Jesus hat es versucht, auch Jesus musste ausholen, die ganze Schrift und die Propheten von Anfang bis Ende, hat er alles erklärt und er musste die Erfahrung machen: Genützt hat es nichts, denn sie hatten immer noch nicht verstanden. So hat ihnen Jesus etwas anderes geschenkt, nicht die Erklärung, sondern, er hat sich selbst geschenkt. Und als er dann in dieser unverwechselbaren Weise das Brot mit ihnen brach, da wussten sie: Ja, dass ist er! Aber da war er dann auch schon wieder verschwunden, denn damit hat er eine Fessel gelöst, damit konnten sie wieder aufbrechen, konnten sie wieder Mut schöpfen. Er muss nicht da sein, um uns den Schritt, die Schritte, die wir zu machen haben, abzunehmen. Nein, es genügt, dass er unser Herz berührt und dann machen wir es schon selbst, dann beginnen wir wieder aufzubrechen, es anders zu machen und  aus den Fehlern zu lernen. Liebe Brüder und Schwestern die Frage ist nur: Brennt unser Herz? Brennt es oder brennt es nicht? Und ich frage weiter: Wie groß ist diese Flamme?

Natürlich, den Wind der letzten Tage hält sie wahrscheinlich nicht aus, aber das ist eine Frage, persönlich gestellt an jeden Einzelnen von uns. Was hält diese Flamme aus? Und wir müssen alles tun, um diese Flamme am Lodern zu halten, denn wehe dieses Feuer in unserem Herzen geht aus, dann haben wir kein Durchhaltevermögen, dann bedarf es nur ganz wenig und alles ist aus. Alles ist aus. Wir liegen am Boden wie hingeschüttet. Liebe Brüder und Schwestern, deswegen feiern wir Eucharistie. Deswegen beten wir, damit diese Flamme Nahrung hat, damit sie nicht beim kleinsten Windstoß ausgeht.

Liebe Brüder und Schwestern, unser Glaube möchte das in unserem Leben bewirken. Er möchte bewirken, dass wir treu sind, dass wir den Mut nicht verlieren. Dass wir immer wieder neue Hoffnung schöpfen, dass wir es wagen, neu aufzubrechen, dass wir keine Angst davor haben zu sagen: Ja, da habe ich was falsch gemacht, jetzt mach ich es anders, jetzt mach ich es besser. Das heißt, sich nicht zuzudecken, zurückzuziehen. Das heißt, nicht davonzulaufen. Liebe Brüder und Schwestern, diesen Glauben brauchen wir. Ein Glaube, der sich von der Begegnung her nährt. Und Begegnung geschieht für uns in der Vorstellung von katholischen Christen immer in den Sakramenten. Das ist Begegnung mit ihm, mit dem Herrn, der sich in gewisser Weise um alles kümmert. Ob wir krank sind, ob wir schwach sind, ob wir am Aufbrechen sind, ob wir bereit sind, unser Leben Gott zu weihen. Er möchte uns in jeder Situation nahe sein.

Ich möchte jetzt gerne wissen, wie es Olah heute geht. Aber ich nehme an, bei den Schwestern in Kubaibe, gibt es auch heute noch ein gutes Essen. Und Olah wird es genießen, wenn die Schwester, der Sie anvertraut ist, wenn Sie sie heute einmal mehr als sonst drückt und herzt. Denn das ist für sie, auch ohne dass Sie den Namen aussprechen kann, Christus. Übrigens, all die Behinderten und Witwen und Kranken die dort von den Schwestern betreut werden, sind Muslime. Das macht den Kleinen, aber entscheidenden Unterschied aus, zwischen dem Christentum und anderen Religionen. Amen