Statue der Gottesmutter
Menü

Ostern und die Botschaft vom leeren Grab (20.04.2014)

Im österlichen Troparion jubelt die byzantinische Kirche:

„Christus ist von den Toten auferstanden.

Durch seinen Tod hat er den Tod besiegt,

den Toten das Leben gegeben.“

Am Ostermorgen begegnen wir zuerst noch der trauernden Kirche, den Aposteln und Jüngern Jesu sowie den Frauen, die Jesus bis unter das Kreuz nachgefolgt waren. Wir erleben eine Schar von Jüngern, die von den niederschmetternden Ereignissen der letzten Tage gezeichnet, völlig ratlos, mutlos und hoffnungslos sind – oder sagen wir gleich: Die angesichts des Todes ihres Meisters, dem erhofften Messias, in einer glaubenslosen Verwirrtheit waren.

Aber in den nächsten Stunden des Ostermorgens werden sich die Ereignisse gänzlich überschlagen. Die Frauen, schon zuvor bei der Passion Christi mutig zugegen, erweisen sich auch in aller Frühe dieses für die ganze Menschheit historischen Tages als mutige und tatkräftige Jüngerinnen, die ihrem verstorbenen Meister einen letzten Liebesdienst erweisen wollen. Sie machen sich auf den Weg zum Grab Jesu – und treffen dieses voller Entsetzen leer an.

Ihr Mut und ihre Treue werden aber belohnt, denn sie sind es, „die ihn als Auferstandenen zuerst gesehen haben. Wie eine Frau als erste die Sünde in die Welt gebracht hat, so bringt sie wieder als erste die Botschaft vom Leben. Deshalb hören sie das heilige Wort: »Ihr Frauen, freut euch!« (Mt 28,9 griech.), damit die Trauer des Anfangs verschlungen wird vom Jubel der Auferstehung.“*

Das leere Grab stellt auch uns die Frage:

 

 

„Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten?“ (Lk 24,5)

 

Der Katechismus erklärt hierzu: „Das erste Element, auf das wir im Rahmen der Osterereignisse stoßen, ist das leere Grab. Es ist an und für sich kein direkter Beweis. Dass der Leichnam Jesu nicht mehr im Grab lag, ließe sich auch anders erklären [Vgl. Job 20,13; Mt 28,11-15.]. Trotzdem war das leere Grab für alle ein entscheidend wichtiges Zeichen, und seine Entdeckung durch die Jünger der erste Schritt zu der Einsicht, dass Christus tatsächlich auferstanden ist, wie das zuerst bei den heiligen Frauen [Vgl. Lk 24,3.22-23.] und sodann bei Petrus [Vgl. Lk 24,12.] der Fall war.

Der »Jünger, den Jesus liebte« (Joh 20,2) sagt, er habe, als er in das leere Grab eingetreten sei und »die Leinenbinden liegen« gesehen habe (Joh 20,6), »gesehen und geglaubt« (Joh 20,8). Das setzt voraus, dass er am Zustand des leeren Grabes festgestellt hat [Vgl. Joh 20,5-7.], dass das Fehlen des Leichnams Jesu nicht auf die Tat von Menschen zurückzuführen sei und dass Jesus nicht einfach, wie Lazarus [Vgl. Joh 11,44.], in ein irdisches Leben zurückgekehrt war.

Die Ersten, die dem Auferstandenen begegneten [Vgl. Mt 28,9-10; Joh 20, 11-18.], waren Maria von Magdala und die heiligen Frauen, die zum Grabe kamen, um den Leichnam Jesu einzubalsamieren [Vgl. Mk 16,1; Lk 24,1.], der am Karfreitagabend, weil der Sabbat anbrach, hastig bestattet worden war [Vgl. Job 19, 31.42.]. So waren Frauen selbst für die Apostel [Vgl. Lk 24, 9-10.] die ersten Botinnen der Auferstehung Christi.“

„Er ist nicht hier, sondern ER IST AUFERSTANDEN.“ (Lk 24,6)

Gregor von Nyssa fordert uns auf: „Lasst auch uns eilen, das erstaunliche Schauspiel zu sehen…, damit die Frauen uns nicht zuvorkommen. Lasst uns wohlriechende Salben, nämlich den Glauben und das Gewissen, mitbringen; denn das ist »Christi Wohlgeruch« (Lk 24,1; 2 Kor 2,15). Lasst uns »den Lebenden nicht mehr bei den Toten« suchen (Lk 24,5); denn der Herr sagt: »Halte mich nicht fest« (Joh 20,17), und weist den zurück, der sich ihm auf diese Weise nähert. Schau in deinem Glauben nicht mehr den an, der leiblich Sklave war, sondern bete den an, der in der Herrlichkeit des Vaters lebt, Gott gleich. Vergiss, dass er »wie ein Sklave« war (Phil 2,6-7).“

Der heilige Gregor kennt auch den Grund, warum Maria Magdalena noch „vor dem Mann“ am Grab war: Es war „ihr Glaube“, der von jener dankbaren Liebe beflügelt war, die all jenen zuteil ist, denen viel vergeben wurde. (vgl. Lk 7,47) Durch den Erlösertod und die Auferstehung Jesu wurde jede verlassene Schuld zu einer „glücklichen Schuld“, weil der freigesprochene Sünder durch die Erlösung, erneut zur Heiligkeit, und damit zur Liebesgemeinschaft mit Gott, gerufen wurde.

„Höre“, sagt uns Maria Magdalena, „was der Herr euch durch uns sagen lässt, euch, die er seine Brüder nennt: Ich gehe hinauf zu meinem Vater und zu euerm Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott.“ (Joh 20,17)

„Welch schöne und gute Nachricht! Er, der um unseretwillen einer wie wir geworden ist, um uns zu seinen Brüdern zu machen…, er nimmt das ganze Menschengeschlecht mit sich hin zum wahren Vater… Er, der für seine vielen Brüder (Röm 8,29) im Fleisch zum Erstgeborenen der Neuen Schöpfung geworden ist, er hat die ganze Natur mit sich gezogen.“ (Gregor von Nyssa – 2. Homilie zu Ostern)

Am heutigen Tag hat Gott „einen neuen Himmel und eine neue Erde“ (Jes 65,17; Offb 21,1) geschaffen.

„An dem Tag“, bekundet der heilige Gregor, „wird der echte Mensch geschaffen, der Mensch, der »Gottes Abbild und ihm ähnlich ist« (Gen 1,26). Mach dir klar, welche Welt eingeweiht wird an diesem Tag, an dem »Tag, den der Herr gemacht hat« (Gen 1,26)… Der Tag hat den Schmerz des Todes behoben und »den Erstgeborenen der Toten« (Kol 1,18) zur Welt gebracht. An diesem Tag wird der Kerker des Todes zerstört, die Blinden werden wieder sehend, »das aufstrahlende Licht aus der Höhe wird allen leuchten, die in Finsternis sitzen und im Schatten des Todes.« (Lk 1,78f)“

Als Jesus Maria von Magdala begegnete, saß sie noch weinend am geöffneten, leeren Grab. Sie kauerte noch immer in der Finsternis des Karfreitags, gefangen von den Schatten des Todes. Die Liebe zum Meister trieb sie jedoch an, ihn zu suchen, „ihn, den meine Seele liebt“, wie die Braut im Hohenlied sagt. Magdalena, die die erste am Grab war, ist gefesselt von den Banden der Liebe am Grab zurück geblieben, auch als Petrus und Johannes bereits gegangen waren.

Es sind die Liebenden, denen das Ostergeheimnis zuerst offenbar wird. So auch Johannes, der Jünger den Jesus liebte. Johannes sah das leere Grab und glaubte, dass Jesus auferstanden war. Seine Liebe überschritt die Grenzen des menschlich Möglichen und erhob seine Seele, in Erinnerung der Worte Jesu, auf die geistliche Ebene, auf der er das Geschaute deuten konnte. Als Liebender, als ein in Gott Verliebter, behielt er seinen Glauben für sich und gab das „Geheimnis des Königs“ nicht preis.

Magdalena glaubte zu diesem Zeitpunkt noch nicht, aber von der Liebe zu ihrem Herrn festgehalten, blieb sie trauernd am leeren Grab: „Während sie weinte, beugte sie sich in die Grabkammer hinein. Da sah sie zwei Engel in weißen Gewändern sitzen, den einen dort, wo der Kopf, den anderen dort, wo die Füße des Leichnams Jesu gelegen hatten. Die Engel sagten zu ihr: Frau, warum weinst du? Sie antwortete ihnen: Man hat meinen Herrn weggenommen und ich weiß nicht, wohin man ihn gelegt hat. Als sie das gesagt hatte, wandte sie sich um und sah Jesus dastehen, wusste aber nicht, dass es Jesus war. Jesus sagte zu ihr: Frau, warum weinst du? Wen suchst du? Sie meinte, es sei der Gärtner, und sagte zu ihm: Herr, wenn du ihn weggebracht hast, sag mir, wohin du ihn gelegt hast. Dann will ich ihn holen.“ (Joh 20,11-15)

In Magdalenas flehentlicher Bitte finden wir das Sehnen der Braut wieder, die die Wächter der Stadt fragte: „Habt ihr ihn gesehen, den meine Seele liebt?“ (Hld 3,3)

Der vermeintliche Gärtner antwortete Maria von Magdala, indem er sie beim Namen rief: „Maria! Da wandte sie sich ihm zu und sagte auf Hebräisch zu ihm:

Rabbuni!, das heißt: Meister.“ (Joh 20,16)

Nun erkannte sie den Irrtum in der Verwechslung der Person, hervorgerufen durch den von Tränen verschleierten Blick. Trauer und Schmerz verzerren oft die Wahrheit und schotten Geist und Seele von neuen, veränderten Wirklichkeiten ab. Da kam Jesus ihr zu Hilfe und rief sie beim Namen. Magdalena erkannte die unverwechselbare Stimme ihres Bräutigams – und wandte sich ihm zu.

Das ist das Geheimnis der Gottesbeziehung: Gott nur zu sehen reicht nicht, wir müssen ihm unser Herz, unsere ganze Aufmerksamkeit zuwenden. Instinktiv handelte Magdalena ebenso wie jene Braut, die, fieberhaft den verlorenen Geliebten suchend, an den Wachen vorbeieilte: „Kaum war ich an ihnen vorüber, fand ich ihn, den meine Seele liebt. Ich packte ihn, ließ ihn nicht mehr los.“ (Hld. 3,4)

Jesus aber wies sie zurück: „Halte mich nicht fest; denn ich bin noch nicht zum Vater hinaufgegangen. Geh aber zu meinen Brüdern und sag ihnen: Ich gehe hinauf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott.“ (Joh 20,17)

Als wahrer Gott und wahrer Mensch durfte der Auferstandene endlich auch seine große Sehnsucht stillen, und zum Vater heimkehren, mit dem er, als Mensch unter Menschen, so viele Nächte im Gebet verbrachte hatte. „Beim Anblick eines so großen Geheimnisses – ein Mensch, der nun mit Gott emporsteigt – riefen die Mächte des Himmels den Heerscharen der Engel freudig zu: „Ihr Fürsten, hebt eure Tore; hebet euch, ihr uralten Pforten, denn es kommt der König der Herrlichkeit!“ Die Engel sahen das Wunder, das Einswerden der menschlichen mit der göttlichen Natur, und riefen ihrerseits: „Wer ist der König der Herrlichkeit?“ und die Anderen antworteten: „Der Herr der Mächte, er ist der König der Herrlichkeit, stark und gewaltig, mächtig im Kampf“ (Ps 24,7f).*

* Eine griechische Homilie aus dem 4. Jahrhundert – Über das heilige Osterfest, §1 und 58f; PG 59, 743; SC 27 (nach einer verloren gegangenen Homilie des hl. Hippolyt von Rom)