Statue der Gottesmutter
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Sein Gesicht leuchtete wie die Sonne (06.08.2019)

„Dein Antlitz allein ist meine Heimat“, schrieb Therese von Lisieux in einem ihrer Gedichte, in dem sie das Gesicht Jesu als ihre „lächelnde Weide“ bezeichnete. Es sind Worte einer in Gott verliebten Seele. Diese Erfahrung haben auch die drei Apostel Petrus, Jakobus und Johannes gemacht, als Jesus sich mit ihnen auf dem Berg Tabor zurückgezogen hatte, um zu beten.

„Und er wurde vor ihnen verwandelt; sein Gesicht leuchtete wie die Sonne und seine Kleider wurden weiß wie das Licht.“ (Mt 17,2)

Nun bestand kein Zweifel mehr, dass ihr Jesus, mit dem sie Tag für Tag zusammen waren, mit dem sie wanderten, mit dem sie aßen und tranken, mit dem sie redeten oder seinen Worten lauschten, dass dieser Jesus, der ihnen Freund und Bruder war, Gottes Sohn war. Eine erschreckende Erkenntnis, die die Jünger zu Boden fallen ließ.

Es ist eine Erfahrung, die jeder gläubige Mensch im Laufe seiner Gottesbeziehung in irgendeiner mehr oder weniger erschütternden Weise macht: In der Gestalt des Jesus von Nazareth, der in den Evangelien einen so vertrauten Umgang mit den Menschen pflegt, strahlt plötzlich seine Gottheit auf. Aus dem „Menschenbild“ des Meisters wird das „Gottesbild“ des Christus. Das ganze Denken und Empfinden Jesus gegenüber muss neu geordnet werden, denn es ist eine Erkenntnis, die alles Menschliche übersteigt.

Menschen neigen zur Gewohnheit und dazu, den einfacheren, bequemeren Weg zu wählen. Auch tiefgläubige Christen bleiben gerne an der Fassade des Menschen Jesus Christus hängen. Aber Jesus ist mehr! Er ist wahrer Gott und wahrer Mensch. Er möchte uns aufrütteln, aufscheuchen aus der Romantik des guten Jesus, der allen ein Freund ist. Er bringt Taborstunden in unser Leben, damit wir ihn wahrhaft erkennen und verbunden mit dieser Erkenntnis seine Botschaft in einem neuen, tiefgründigeren Licht erfassen und verkünden.

Das Taborereignis bindet Jesus Christus in den biblischen Hintergrund ein: Mose und Elija erschienen neben Christus. Mose brachte den Israeliten das Gesetz. Jesus sagte, dass er nicht gekommen sei, um das Gesetz aufzuheben, sonder um es zu erfüllen. Elija findet sowohl im Alten als auch im Neuen Testament Erwähnung hinsichtlich der Endzeit und wird als Wegbereiter des Messias erwartet. Gott spricht in dieser Erscheinung also mit klaren Zeichen, die Jesus als den Messias erkennen lassen. Und Gott Vater geht noch weiter, er möchte alle Missverständnisse und Unklarheiten ausräumen: „Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen gefunden habe; auf ihn sollt ihr hören. (Mt 17,5)“, sagte er aus einer leuchtenden Wolke heraus.

Taborstunden sind unverdiente Gnadengeschenke. Taborstunden kann man nicht selber machen, aber man kann darum beten, damit wir Jesus Christus besser erkennen, sein Wesen tiefer erfassen. Wir dürfen nicht stehen bleiben bei dem, was wir bisher erkannt haben. Wir müssen ständig darum ringen, tiefer in das Geheimnis Christi einzudringen. Der Heilige Geist wird uns dabei helfen. Sein Verlangen ist es ja, dass wir Christus kennenlernen, als Menschen, der sich gegen alle Anfechtungen und Versuchungen standhaft gewehrt hatte, der rein und makellos blieb und uns als neuer Adam erlöste in der Ganzhingabe am Kreuz. Und der Heilige Geist möchte uns Christus auch als unseren Gott erkennen lassen, als die zweite göttliche Person, die unsere Rechtfertigung vor dem Richterstuhl Gottes ist.

Jesus zeigt uns in seiner Verklärung, dass er ein Gott zum Anfassen geworden ist, ein Gott, der uns nahe sein will, der uns anfasst, aufrichtet, an der Hand nimmt und sagt: Steh auf und fürchte dich nicht! Jesu leuchtendes Antlitz wird für uns der Zugang zum Vater: „Wer mich sieht, sieht den Vater!“ (vgl. Joh 14,9)

Gott sehen, das ist der sehnlichste Wunsch aller Menschen. Bei vielen ist es vielleicht ein noch verborgener, unbekannter Wunsch. Aber dieser Wunsch ist in uns allen grundgelegt, weil der Mensch auf Gott hin geschaffen ist.

„Unruhig ist unser Herz, bis es ruht, in dir, o Gott!“, hat der heilige Augustinus schon lange vor uns erkannt. Im verklärten Antlitz Jesu strahlt uns die Liebe Gottes auf, hell leuchtend wie die Sonne. In seinem Antlitz finden wir den, den wir suchen: den Vater, den Freund und Bruder in Christus und den Beistand unserer Seele, den Heiligen Geist. Im Antlitz Christi leuchtet uns die Heimat auf, die unsere Seele mit Hoffnung und Freude nährt wie eine saftige Weide.