Statue der Gottesmutter
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Unsere Liebe Frau von Lourdes (11.02.2014)

„Trinken Sie aus der Quelle und waschen Sie sich.“ Diese Worte richtete die Jungfrau Maria an Bernadette Soubirous am 25. Februar 1858. Millionen Menschen haben es Bernadette gleichgetan und  erfuhren körperliche und/oder seelische Heilung. 50 von 69 der bestätigten Heilungen stehen im Zusammenhang mit dem Wasser aus der Grotte von Massabielle.

Bernadette selbst wurde nicht geheilt: „Die Grotte ist nicht für mich.“, sagte sie wohl auch in Anlehnung an das Versprechen der Gottesmutter bei einer Erscheinung: „Ich verspreche Ihnen nicht, Sie in dieser Welt glücklich zu machen, sondern in der anderen“. Die heilige Bernadette verabsäumte es aber auch nicht, mit Deutlichkeit auf einen Missstand hinzuweisen: „Man nimmt das Wasser wie ein Arzneimittel… Man muss den Glauben haben, und man muss beten: dieses Wasser hätte keine Wirkung ohne den Glauben!"

In Lourdes sieht man, dass die Kranken und Leidenden die Lieblinge der Jungfrau Maria sind. Sie werden vor Ort mit größter Liebe und Umsicht betreut. „Die Armen habt ihr immer bei euch“, erinnerte Jesus die Menschheit. In Lourdes wird Kirche, wie Gott sie erdacht hat, in der Liebe zu den Armen erlebbar. Konfrontiert mit der Armut der Kranken, stellt Maria auch einen Bezug zu unserer Seele her und erinnert auf diese Weise daran, dass alle Menschen vor Gott Kranke sind – krank durch die Sünde. Auch die Tatsache, dass sich Maria der kleinen Bernadette in der „Schweinegrotte“ zeigte, ist ein Hinweis darauf, dass wir „verlorne Söhne“ sind, die sich durch ihren Eigenwillen vom Vater entfernt haben und auf den Abwegen dieser Welt den Abstieg vom Königskind zum Schweinehirten durchlebten. Der Sündenfall des Menschen hat das ganze Menschengeschlecht von Gott getrennt, hat einen Makel auf der Seele eines jeden Menschen hinterlassen, der von Generation zu Generation weitergegeben wird. Doch Gott hat die Menschen nicht verlassen, sondern sandte seinen eigenen Sohn, um uns mit ihm zu versöhnen. Und in Lourdes sandte er Maria, um uns an die erlösende Liebe Gottes und unserer notwendigen Umkehr zu ihm zu erinnern. Der Kontrast könnte nicht größer sein: Maria, die Makellose erscheint in der Schweinegrotte. Sie, die Unbefleckte Empfängnis, ruft ihre mit dem Makel der Erbsünde behafteten Kinder zur Umkehr und fleht: „Übt Buße!“ Bernadette vollzog in der Grotte die Zeichen der Buße, der Umkehr zu Gott: Sie rutschte auf den Knien zur Grotte, küssten den Boden, aß Bitterkräuter, wühlte den Boden auf und trank von dem schlammigen Wasser. Als sie sich auch noch das Gesicht mit Schlamm beschmierte, hielt man sie für verrückt.

Auf der sehens- und lesenswerten Lourdes-Website wird das Handeln des jungen Mädchens, welches als das „Herz der Botschaft von Lourdes“ bezeichnet wird, in einen biblischen Bezug gebracht. Es heißt dort: „Diese Gesten sind biblische Gesten. Weil »die Dame« sie gebeten hat, drückt Bernadette die Fleischwerdung, das Leid und den Tod Christi aus. Sie rutscht auf den Knien in die Grotte: es ist die Geste der Fleischwerdung, Gott wird Mensch. Und Bernadette berührt die Erde, um anzudeuten, dass diese Fleischwerdung wirklich die Geste der Liebe Gottes für die Menschen ist. Das Essen der Bitterkräuter erinnert an die jüdische Tradition, die man bereits in alten Texten findet. Wenn die Juden ausdrücken wollten, dass Gott alle Bitterkeit von ihnen genommen hatte, alle Sünden der Welt, töteten sie ein Lamm, nahmen es aus, füllten es mit Bitterkräutern und sprachen darüber das Gebet: »Dies ist das Lamm Gottes, das auf sich nimmt und hinweg nimmt alle Bitterkeiten, alle Sünden der Welt.« Dieses Gebet erinnert an die heilige Messe. Das sich beschmieren: der Prophet Jesaja hat, wenn er über den Messias, über Christus spricht, die Züge des leidenden Knechtes.  »Er trug die Sünden von vielen… seine Gestalt war nicht mehr die eines Menschen.« Er war, präzisiert Jesaja, »wie ein Lamm, das man zum Schlachten führt« und »er wurde verachtet und von den Menschen gemieden.« An der Grotte sagen die Menschen über die vom Schlamm verschmutzte Bernadette: »Sie ist verrückt geworden«.“

Während Bernadette in der Grotte im Schlamm wühlte und sich mit Schlamm beschmierte – Gesten der Schweine – berührte Maria den Boden des „Schweinehorts“ nicht, sie stand in einer Felsspalte. Mit dieser Symbolik drückte die Gottesmutter eine bedeutende Wirklichkeit aus: Die Unbefleckte steht der gefallenen Menschheit gegenüber. Sie steht auf einem Felsen und gibt damit zu verstehen: „Keiner ist ein Fels wie unser Gott.“ (1 Sam 2,2) Zu jeder Zeit war sie in Gott begründet. Er war ihr Fels und ihr Zufluchtsort. Wie Maria den Boden des Tierischen nie berührte, so blieb die „Vorerlöste“ stets ohne Sünde. Maria hat sich nie auf die Ebene des Tierischen begeben. Sie war und blieb immer ganz auf das Göttliche ausgerichtet.

Das Schwein gilt in der jüdischen Tradition als unreines Tier. Mit der Erscheinung in der Schweinegrotte scheint uns Maria eine bemerkenswerte Frage zu stellen: „Welche Schweine hütest du in deinem Leben?“ Die Schweine, das sind unsere Sünden und ungebändigten Leidenschaften, die wir oftmals hüten. Diese Schweine – oder den so genannten inneren Schweinehund – müssen wir verlassen, indem wir gleich dem verlorenen Sohn aufbrechen und uns auf den Weg in die Arme des Vaters machen. In der Beichte, dem Sakrament der Buße und Umkehr, finden wir diese offenen Vaterarme. Es gibt nichts, was Gott uns nicht verzeihen könnte. Er verzeiht nicht nur, er hilft uns auch, dass wir uns selbst verzeihen können, indem er uns unsere Würde wieder schenkt.

So dürfen wir zur Jungfrau gehen und uns an ihrer Quelle waschen, die Jesus ist. Maria ist die Grotte, in der die nie versiegende Quelle des Lebens hervorgebrochen ist. Denn sie hat uns Christus geboren, der uns das lebendige Wasser geben kann, das am Kreuz aus seinem Herzen floss. Dieses Wasser ist der Heilige Geist, der die Liebe des Vaters und des Sohnes ist. „Wenn jemand nicht aus Wasser und Geist geboren wird, kann er nicht in das Reich Gottes kommen.“ (Joh 3,5) In der Taufe geschieht diese „Wiedergeburt“, in der wir eine neue Schöpfung werden: „Das Alte ist vergangen, Neues ist geworden.“ (2 Kor 5,17) In der Taufe taucht die persönliche Lebensgeschichte in den Strom der Liebe Gottes ein. (Vgl. YC 200) Die erste große Sündenvergebung wird im Taufsakrament geschenkt. Gott befreit uns von der „Erbsünde“. Diese bezeichnet jenen „unheilvollen Zustand der Menschheit, in den der Einzelne hineingeboren wird, noch bevor er aus freier Entscheidung selbst sündigt.“ (YC 68) Die persönlichen Sünden werden in der Beichte abgewaschen: „Sie haben ihre Gewänder gewaschen und im Blut des Lammes weiß gemacht.“, berichtet Johannes in der Offenbarung. Das geschieht in der Beichte. Im Blute Jesu wird unser Taufkleid – unsere Seele – wieder reingewaschen und unsere Seele wird geheilt. Makellos und rein dürfen wir den Beichtstuhl wieder verlassen. Deshalb sagt Maria zu jedem von uns: „Trinken Sie aus der Quelle und waschen Sie sich.“ Und wie die Frau am Jakobsbrunnen dürfen auch wir bitten: „Herr, gib mir dieses Wasser, damit ich keinen Durst mehr habe.“ (Joh 4,15)