Statue der Gottesmutter
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17. YOUCAT-Abend (03.06.2014)

Nachdem P. Lukas Hofer SAC, der bisher als Referent für die Youcat-Katechesen zur Verfügung stand, wieder in seine Heimatprovinz zurückgerufen wurde, hat sich Pfr.em. Johann Schuster bereiterklärt, „das weiter zu tun, was wir schon begonnen haben“.

Nach einer kurzen Einleitung brachte Pfr. Schuster beim heutigen Vortrag seine Ausführungen zur YC-Frage 33: Was heißt: Gott ist Liebe? Eine unvollständige Mitschrift der Katechese können sie hier wieder nachlesen.

Einleitung von Pfr.em. Johann Schuster:

Je mehr ich mit Gott unterwegs bin, desto mehr führt er mich in die Brennpunkte der menschlichen Existenz. Anders herum gesagt: Der Heilige Geist führt mich zur Not des Menschen. Und die schaut heute sehr vielfältig aus.

Gott steigt in deine Tiefen hinab. Und wir glauben immer, wenn wir mit Gott sind, dann muss das ein Leben sein, wo wir alles im Griff haben. Männer haben oft ... die Idee: Sie müssen alles im Griff haben. Und wenn sie nichts im Griff haben, dann erleben sie Ohnmacht, und dann kommt Aggression. Und so lerne ich langsam auch von jungen Eltern kennen, wie die jüngeren Männer in der Familie so ticken. Wir haben ja wieder anders getickt, ich bin ja schon Großelterngeneration oder mehr. Aber ich erkenne ein Muster. Wir haben Vorstellungen von Gott, wir haben überhöhte Erwartungen an Gott, an uns, an das Leben. Und das kann aus einem Mangel an Liebe resultieren.

Das ist das wichtigste Thema: Gott ist die Liebe. Das zu erfahren, nicht im Kopf – das ist viel zu wenig – sondern das im Herzen existentiell zu erfahren, ist wichtig. Und daraufhin dieses Liebesspiel Gottes – Spiel im positiven Sinn – dieses Liebeswerben Gottes zu erfahren. Lesen Sie das Hohelied, lesen Sie die Bibel, dann werden Sie sehen, wie Gott um uns ringt. Um jeden von uns! Und das ist nur verständlich, wenn wir wirklich verstehen, wer Gott ist. Wer Liebe ist – ich sag bewusst nicht: Was Liebe ist. Gott ist keine Sache. Es geht hier nicht um eine Sache, sondern wir erleben: Es geht um eine Person, die sich uns – wieder einer Person – in Liebe mitteilt. Der heilige Hyronimus sagt: „Wer die Heilige Schrift nicht kennt, kennt Christus nicht.“ So wollen wir versuchen, Gott kennen zu lernen. Ich bin nicht da, um euren Kopf jetzt zu füttern, Theologie zu machen, wer Gott ist, nämlich das unendlich Daseiende, das immer für uns da ist ... In diesen philosophischen und theologischen Theorien geht es nicht um Verkündigung, sondern um intellektuelles Erklären des zuvor Geglaubten. Mir geht es aber darum, dass wir diese Liebe tiefer erfahren und so auch aktiver erkennen, wer Gott ist. Denn das ist noch wichtiger, dass der Heilige Geist euch jetzt etwas sagt. Ich habe zwar etwas vorbereitet, aber ich lasse dem Heiligen Geist eine Chance, hier das zu sagen, was ihr braucht. Denn ich weiß nicht, was jeder einzelne braucht. Da bin ich überfordert. Aber der Heilige Geist ist niemals überfordert. Und so ist es gut, um den Heiligen Geist zu bitten, und immer wieder darum zu beten. Wir heißen ja Christen – das sind Gesalbte mit dem Heiligen Geist. Wir sind gesalbt mit dem Heiligen Geist, und erst aus dieser Salbung heraus kann ich verkünden, kann sich mir die Heilige Schrift erschließen. Spricht mich etwas an, dann antworte ich darauf – und das wird dann die Verkündigung. So wirkt Gott in der Regel und am Besten.

YC 33: Was heißt: Gott ist die Liebe?

Ich würde besser sagen: Wer ist die Liebe? Wer? Eine Person. Wir fragen nicht nach einer Sache. Der biblische Mensch im Alten Testament fragt nie nach Sachen. Erst der neuzeitliche Mensch hat damit angefangen und dann hat sich die Wissenschaft entwickelt. Wir fragen nicht nach Sachen. Wir fragen nicht nach einer Wahrheit, die eine Sache ist: Stimmt das, ob die das gesagt hat und der das nicht behauptet hat …? Darum geht es uns nicht in der Bibel. Sondern es geht um eine Person, um eine innere Haltung. Um Gottes Haltung und unsere menschliche Haltung. Es geht hier um etwas Grundsätzliches, das einfach nicht diskutierbar ist. Wer von uns kann sagen, er hat einen tiefen Einblick, wie es Johannes sagt: Gott ist die Liebe oder Gott ist Liebe. Sein Wesen ist Liebe. Dazu braucht es die Reinigung unseres Gottesbildes. Viele sprechen gemeinsam das Glaubensbekenntnis: Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, … Aber jeder meint unter dem Vater etwas anderes, weil er andere Erfahrungen hat. Deswegen ist es wichtig, dass wir uns am Gottesbild der Bibel ausrichten. Heute ist die Gefahr der Individualisierungen, wir machen uns unseren Gott zurecht. Bei den meisten Menschen ist es so: Ich bastle mir meine Religiosität zusammen, so, wie sie in mein Schema passt, in mein Konzept. Und das versuche ich zu verwirklichen. Meine Sache! Aber es geht hier um Gott. Es geht nicht um meines und um deines, sondern es geht hier um unseren Gott, der sich geoffenbart hat in Jesus Christus.

Ich erzähle ein Beispiel aus meinem Leben, damit verständlich ist, was die Theorie sagt. Es heißt ja auch: Ihr sollt meine Zeugen sein. Christliches Leben gelingt nicht ohne Zeugnis. Meine Verkündigung gelingt nicht ohne mein Zeugnis, ohne dass ich davon rede, wie Gott in meinem Leben wirkt. Ich kann nicht von mir aus wirken – ich kann nicht einmal einen Hund heilen - aber was Gott kann, das ist unsere Chance.

Ich habe vorher schon einen Beruf ausgeübt und erst später Theologie studiert. In Pinkafeld haben wir schon vor 30 Jahren mit der Evangelisation begonnen – mit Professor Ivančić aus Zagreb, ein guter Fundamentaltheologe, er war immer wieder der Hauptredner bei diesen Seminaren. Und ich habe ihn sehr geschätzt, weil er mir mit seiner heilenden Art und mit seiner fundamentalen, religiösen, geistlichen Verankerung schrittweise geholfen hat, durch die Gnade Gottes. Ein Verkünder muss in Gottes Geist verankert sein. Ich war damals um die 30, habe schon Theologie studiert und ging nach einem Glaubensseminar – ich habe am anderen Ende der Stadt in Pinkafeld gewohnt – nach dem erfüllten Tag in der Stille nach Hause. Es war 11 Uhr nachts. Einfach so 20, 25 Minuten in Stille – es war eine Winternacht – ging ich schweigend zu meinem Elternhaus. Und auf einmal, in dieser Stille, stieg etwas in mir hoch. Ich hörte in mir: Gott ist nicht gerecht. So wie ich mir das vorgestellt habe, es gibt wie auf einer Waage das Gute und das Böse, das Gott gerecht belohnt bzw. bestraft. Ich war darüber innerlich erschüttert, dass dieses Gottesbild, an dem ich bis zum Zeitpunkt festgehalten habe, mit dem realen Gott nichts zu tun hatte. Schließlich fragte ich dann Gott: Was bist du dann, wenn du nicht so gerecht bist? Und ich erhielt die Antwort: Ich bin mehr als gerecht, ich bin barmherzig.

Nicht, dass ich an der Existenz Gottes gezweifelt habe, sondern ich habe an einem falschen Gottesbild festgehalten und damit gelebt. Damals hat Gott etwas in mir aufgebrochen: eine Religiosität, die noch nicht beim liebenden, barmherzigen Vater angekommen war. Und so geht es vielen Menschen in der Kirche. Deswegen sage ich das, es ist keine Schande. Das ist so. Gott arbeitet immer mit dem, was er bei uns vorfindet, dort wo wir stehen. Er macht keine Vorwürfe. Aber in der Stille der Nacht – und ich sag das bewusst: die Stille – in der Stille der Nacht konnte er etwas verwandeln. Diese Erkenntnis kam aus dem tiefsten Inneren, aus einem inneren Gespräch, einem inneren Austausch. Das hat mit den Sinnesorganen überhaupt nichts mehr zu tun. Das ist gefährlich, wenn man sagt, dass man Stimmen hört – aber das war das nicht. Denn da bräuchte man sonst einen Arzt. Es ist auch keine Schande, wenn man einen Arzt braucht, weil Ärzte, wenn sie gut sind, helfen können. Es ist keine Schande. Ich nutze auch die Hilfe der Ärzte, ich bin mir nicht zu gut, dass ich sage: Ich brauche das nicht. Wir dürfen das in Anspruch nehmen. Und Gott heilt auch durch Ärzte, durch Medikamente. Ich möchte das klar sagen, damit niemand denkt, ich bin ein „Halleluja-Heiler“, der sich über alles hinwegsetzt. Das tue ich nicht und das ist auch Gott nicht. Er nimmt jeden von uns ernst. Er nimmt auch mich ernst in meinem Suchen und Ringen. In meiner Sinnsuche, die praktisch eine Gottessuche war. Im Leben staut sich oft etwas auf und auch ein Gottesbild kann sich aufbauen, das oft mit dem wahren Gottesbild nichts zu tun hat.

Damit es nicht zu ernst wird, erzähle ich einen Witz, den Prof. Tomislav Ivančić oft erzählt hat: „Der Jesus der Bibel und der Jesus der Kirche begegnen sich, aber sie gehen aneinander vorbei, weil sie sich nicht kennen.“ – Damit ist der Witz zu Ende. Nicht, dass da jemand glaubt, ich mache hier Kirchenkritik. In ähnlicher Weise, wie in diesem Witz beschrieben, ging mein Gottesbild an dem wahren, biblischen weit vorbei. Er musste mich weiterführen – und ich ließ es zu. Wenn ein falsches Gottesbild da ist, ein falsches Gottesverständnis, dann muss er das aufbrechen. Und das ist schmerzlich. Das erschüttert uns in der Existenz. Das ist nicht so, dass ich jetzt theologisch diskutiere, welche Attribute hat Gott … da geht es um mich und Gott, um den Glauben. Das ist keine Theologie, die man auf der Universität lernt – es braucht zuerst Glauben! Persönlichen Glauben. Und da habe ich dann erschrocken gesagt: „Wer bist du, Herr?“ „Ich bin mehr als gerecht, ich bin barmherzig.“ Genauso hat er es mir gesagt. Bis heute weiß ich das, das wird in meinem Leben nie ausgelöscht sein. Und wenn ich vieles vergesse, aber das vergesse ich nicht. Solche existentiellen Erfahrungen, die kommen immer wieder ins Leben, wenn du Gott suchst. Natürlich nicht, wenn du vor dem Fernseher sitzt, statt die Anbetung zu halten und im Lehnstuhl sitzt und Gott einen guten Mann sein lässt – wie viele unserer braven Katholiken – dann wirst du Gott nicht finden. Wer Gott sucht, der findet ihn, wer innerlich ringt, der findet ihn. Das ist meine Überzeugung.

Und dann bin ich nach Hause gegangen. Und glaubt nicht, dass damit mein Gottesbild sofort verändert war. Dieser Änderungsprozess läuft bis heute durch den Heiligen Geist. Ich habe nicht jeden Tag so eine Gottesoffenbarung. Das wäre nicht normal. Aber normal ist es, auf den Geist Gottes zu hören. Das ist Christentum, da wir als Christen mit dem Heiligen Geist gesalbt sind und aus diesem Geist leben.

Wir haben einen lebendigen Gott. Keine andere Religion kann sagen, Gott ist Liebe!

Keine! In keiner anderen Religion ist Gott uns so nahe gekommen, wie in Jesus Christus, und er ist uns nahe geblieben durch seinen Heiligen Geist. Das gibt es nirgends. Wenn Gott die Liebe ist, sagt der Katechismus, gibt es nichts Geschaffenes, das nicht getragen und umfangen ist vom endlosen Wohlwollen.

Also, wir nehmen an, Gott ist die Liebe. Wir haben sie erfahren – ich zumindest habe sie erfahren. Ich habe das in Pinkafeld in meinem Zimmer erlebt: Das ist so schön, dass du glaubst, du musst sterben vor Freude. Alle Sicherungen brennen durch, und das ist so lange gegangen, dass ich dachte: Du stirbst jetzt aus Freude. Und ich habe schon um mein Leben gefürchtet, dann hat sich das aber wieder gelöst. Gotteserfahrung braucht es – diese Liebe ist Erfahrung Gottes. Karl Rahner, ein bekannter Theologe, sagt: „Der Christ der Zukunft wird ein Mystiker sein, ein Gotterfahrener, oder er wird nicht mehr Christ sein.“ Dann trifft es ein, dass die, die keine Gotteserfahrung haben, davon laufen und mit ihrem Leben nicht mehr zu Rande kommen. Wie viele Menschen, wie viele Jugendliche sind heute in Not? Es trifft ein. Ich sage zu den Jugendlichen immer: „Du brauchst Gotteserfahrung! Unter diese Schwelle gehe ich nicht, bis du Gotteserfahrung hast! Jeder von uns braucht das!“ Und bei der Jugend freut es mich, da geht es so schnell: Beichte, zwei Beichten und dann kann Gott den Schalter umkippen. Vor drei Jahren hat mir ein Jugendlicher gesagt: „Herr Pfarrer, ich habe Geisterfahrung gemacht bei der Handauflegung.“ Ich habe das gespürt, habe aber nicht von Geisterfahrung gesprochen. Das war ein 13-jähriger Firmling, der uns viele Probleme gemacht hat, der überhaupt nicht fromm war, aber da kann Gott wirken. Und dann wirkt das in den Jugendlichen so klar, dass ich nichts mehr erklären brauche. Warum muss ich so viel erklären? Weil wir diese Erfahrung nicht haben. Und es glauben manche in der Kirche – und es stimmt auch – die Katechese ist notwendig, da stehe ich voll dahinter – aber Gotteserfahrung ist das Notwendigste. Und so hat Gott mich geführt. Was glauben Sie, wenn ich für die Jugend bete, da merke ich, wie der Geist Gottes strömt oder nicht strömt. Wie der Geist ihn [einen Jugendlichen] berührt. Ich habe das gesehen, wie er zusammengesunken ist – Ruhen im Geiste – leicht erklärt durch den heiligen Augustinus: „Unruhig ist unser Herz, bis es ruht in dir, o Gott.“ Geisterfahrung kann man schon vor der Firmung haben. Ist das nicht schön? Als zwölfjähriger, als dreizehnjähriger. Das ist die Freude!

Wir wollen jetzt nicht erklären, dass, weil Gott die Liebe ist, alles im Wohlwollen ist – das ist so menschlich ausgedrückt und ist viel zu wenig. Dieser Ausdruck ist für diese Liebe bei Weitem nicht entsprechend. Das ist mehr – und der Katechismus sagt es auch. Und Gott erklärt sich nicht nur, er sagt es uns, es ist Offenbarung. Er spricht ins Herz. Das kann sein in der Verkündigung. Ich zeige euch ein weiteres Beispiel, wie man Gott erfahren kann, damit ihr erkennt, wo ihr ihn vielleicht schon erfahren habt oder euch aufmacht, ihn zu suchen.

Ich habe in Deutschland vor über 1000 Menschen eine Messe gefeiert, und habe wie immer gepredigt: Ich spreche frei, ich schreibe nichts auf und mache keine Vorträge. Aber das, was mich berührt, das sage ich. Ich habe also verkündet, klar und deutlich wie immer, und habe mich von Gott ein Stück führen lassen. Oft weiß ich vor der Predigt nicht, was ich sagen werde, da bete ich nur beim Hingehen zur Predigt so wie hier: Was ist jetzt das Thema, für dich, o Gott, was ist jetzt zu sagen, was braucht es jetzt? Und dann gibt er einen Impuls und ich denke: Aha; und dann bete ich weiter und ich bekomme wieder einen Impuls, und so läuft das bis in den Vortrag hinein. Er hat mich noch nie sitzen gelassen, der Heilige Geist. Er hat mich noch nie blamiert, wenn ich im Vertrauen gehe. – Und damals war eine schwierige Schwester im Haus, die mir „auf den Hut gegangen ist“ – ich bin auch nur ein Mensch – und sie hat auch Dinge gemacht, die kirchlich nicht ganz richtig waren und ich habe sie auch unter vier Augen ermahnt, dass es so nicht geht. Weil es so dringlich war, habe ich ihr „die Leviten gelesen“, habe aber den Eindruck gehabt, dass sie mich nicht verstanden hat. Am Tag nach der Predigt aber kam die Schwester zu mir und sagte: „Herr Pfarrer, was glauben sie, was während Ihrer Predigt passiert ist…“  – ich habe mir schon gedacht: „Jetzt fängt sie schon wieder zu kritisieren an!“ Aber sie sagte: „Ich habe etwas erfahren. Stellen sie sich vor, während ihrer Predigt ist mein ganzes Leben abgelaufen wie in einem Film vor meinem inneren Auge. Und Gott hat mir alles gezeigt, was ich an Mist bis heute gebaut habe!“ Ist das nicht eine Gnade? Was ich nicht vermocht habe, das vermag Gott. So läuft das.

Gott wirkt auf verschiedene Weise durch jeden von uns. Durch den Verkünder, wenn er sich auf den Geist Gottes einlässt und keine Angst hat – das ist auch wichtig. Ich ermutige die Verkünder, keine Angst zu haben. Wir sind keine Angstgemeinschaft. Auch keine Zwangsgemeinschaft. Ich habe die Kirche noch nie als Zwang erlebt. Ich habe immer jedem das gesagt, was zu sagen ist. Ich habe nie Angst gehabt. Bis heute nicht. Was treibt uns als Christen, wenn uns nicht die Angst treibt? Wie oft sagt Gott: Fürchtet euch nicht! Hören wir das nicht mehr? Er sagt es so oft! Jesus hat uns nie Angst gemacht. Hat er einen einzigen Sünder verurteilt? Die Ehebrecherin? Nein – „auch ich verurteile dich nicht!“ Wir würden sagen: „Gib ihm! Noch was drauf!“ Wie die „braven Katholiken“ – wenn sie bei mir für die anderen beichten – dann werde ich immer ganz grantig! Dann sag ich immer: Das ist doch entlastend, du brauchst nur für dich zu beichten. Und dann beichten sie wieder für die anderen weiter ...

Ich brauche nur für mich beichten. Und ich brauche nur selber die Liebe annehmen. Gott ist die Liebe und Liebe ist ein Beziehungsgeschehen. Kann einer allein lieben? Einer hat mir das weiß machen wollen, ein Naturfreund: „Ja, Herr Pfarrer, in die Kirche gehe ich nicht so oft, weil wenn ich ein Problem habe, das mir wichtig ist, gehe ich in den Wald zu einem Baum und dann kann ich mich dort aussprechen.“ So hat er versucht, mir klar zu machen, dass er die gottesdienstliche Versammlung nicht braucht. Und da ich nicht auf den Mund gefallen bin und mir der Heilige Geist etwas ganz Eindeutiges sagte, habe ich gesagt: Wenn sie ihre Frau lieben wollen, gehen sie dann auch zum Baum im Wald? Er hat gelacht und hat gemerkt, dass es Nonsens war. So deckt Gott auf. Aber in Liebe!

Wenn es um das Thema „Gott ist Liebe“ geht, ist es mir wichtig, dass die Bibel dazu herangezogen wird. Auf das Johannesevangelium möchte ich jetzt näher eingehen, weil es sehr gut das Thema Liebe wiedergibt und das, was dem am Nächsten kommt:  wie ich Gott erfahren habe. Unsere Gotteserfahrung entspricht sehr gut der Theologie und der Lehre der Kirche. Das ergänzt sich. Ich versuche immer meine eigenen Erfahrungen mit der Lehre der Kirche in Einklang zu bringen, damit ich auf gutem Grund stehe. Das Wort Gottes ist der beste Grund auf dem du stehst. Und deswegen möchte ich auf Johannes noch näher eingehen. Der Katechismus zitiert Johannes 15,13.

In diesem Kapitel geht es um ein meditatives Heranringen an die Wirklichkeit Gottes, um eine kontemplative Erfahrung. Ohne Kontemplation, ohne Mystik, kannst du Gott nicht erfahren, ihn nicht spüren, ihn nicht wirken lassen. Ohne das Wort Gottes, das dich anspricht und führt in der Kraft des Heiligen Geistes, findest du keinen Zugang zur Bibel. Wer sagt, dass im Alten Testament nur „Räubergeschichten“ stehen, der hat den Heiligen Geist nicht, um die Tiefen der Weisheit Gottes zu erkennen. In dem Kapitel von Johannes geht es auch ums Fruchtbringen, das ist für unser Leben auch sehr wichtig. Johannes Kapitel 13, 14 und 15 sind ganz wichtig, die sollten Sie mal durchlesen. Das sind ganz wichtige Dinge, wo Jesus uns in die Offenbarung seines Vaters und in das Gebet hineinführt.

In Johannes 15,13 heißt es:

Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt.

– Hingabe – Es gibt keine größere Liebe, keine größere Hingabe, als wenn einer das Leben verschenkt um seiner Freunde willen. Glaube, Liebe, ist Geschenk. Und wo sehen wir das bei Jesus? Wir sind seine Schüler. Er hat sein Leben hingegeben am Kreuz für alle Schuld und Sünde dieser Welt. Für jeden! Für meine Sünden, für deine, für alle Sünden dieser Welt. Und warum gibt es keine größere Liebe als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt? Was meint Jesus da? Johannes sagt das im Wort vom Weinstock und den Reben: Er ist verbunden im Vater und wir sind in ihm verbunden. „Darum bleibt in meiner Liebe“, sagt Jesus. Und dieses Bleiben in Gott ist Liebe. Bleibt in meiner Liebe – in seiner Liebe, aus seiner Kraft leben wir. Und es ist wunderschön, in seiner Liebe zu sein. Es gibt nichts Schöneres als in der Stille vor Gott zwei Stunden da zu sein. Ohne ein Wort zu sprechen. Dieser tiefe innere Austausch. Ohne Kontemplation gibt es kein Gottschauen. Und was ist das Ziel unseres Lebens? Pater Maria-Eugen Grialou, der erst heiliggesprochen worden ist, sagt das sehr schön: „Ich will Gott schauen.“ Das ist unser endgültiges Ziel: Gott zu schauen. Sich satt zu sehen. In der Liebe gesättigt und vollkommen, vollendet da zu sein vor Gott. Jesus hat sich immer wieder einen Berg zum Beten gesucht.

Hingabe ist die Liebe.

Petrus fragt: „Herr, warum kann ich dir jetzt nicht folgen?“ Er versteht das Leid noch nicht auf dem Weg zum Kreuz. „Mein Leben will ich für dich hingeben“ – Petrus ist großspurig – oft sind auch wir großspurig und sagen: „Mein Leben schenke ich dir!“ Wir sagen das aus falscher Selbstsicherheit, aber die wird der Herr schon noch erschüttern, hoffe ich, damit er auch noch die letzten Reste dieser Bastion der Selbstsicherheit abschleift. Jesus sagt jetzt zum Petrus: „Du willst für mich dein Leben hingeben? Amen, amen, ich sage dir, noch bevor der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen.“ Gott holt uns zurück auf den Boden, in die Realität. Wir schweben nicht 20 cm über dem Erdboden, sondern er holt uns zurück. Worum geht es hier in diesem 13. Kapitel? Johannes 13,34:

„Ein neues Gebot gebe ich euch, liebt einander, wie ich euch geliebt habe.“

Das ist wichtig. Die Jünger machten eine Liebeserfahrung. Und durch diese Liebeserfahrung konnten sie auch die Liebe weitergeben. Das ist die erste Aufgabe von jedem von uns! Das ist das wichtigste Gebot! Manche glauben, das sechste Gebot beinhaltet die schwerste Sünde. Nein! Gott nicht zu lieben ist die schwerste Sünde, ihn zu missachten, ihn einen guten Mann sein lassen und tun, was ich selber will. Das ist die schwerste Sünde. Wir werden einmal vor Gott stehen und dann wird er fragen: „Hast du mich geliebt?“ Das ist die entscheidende Frage, glaube ich, die er zuerst stellen wird. „Hast du meine Liebe angenommen? Hast du meine Liebe weitergeschenkt?“ – Ich war so beschäftigt und ich musste so viel tun, die ganzen Sorgen und alles, … „Hast du mich geliebt? Hast du meine Liebe angenommen?“ – Na ja, … Rechtfertigungen ... So soll die letzte Begegnung mit Gott nicht sein. Lernt von meiner Liebe, sagt Jesus, lernt! Lernt von meinem Leben!

Es ist der Auftrag Jesu, zu lieben. Was brauche ich dazu? Die Liebe Gottes! Es ist ein Krampf, aus eigener Kraft zu lieben. Da verkrampft sich alles im Menschen und am Ende steht das Burnout, wo ich nicht mehr kann. Wo ich keine Kraft mehr habe. Woher habe ich meine Kraft? Aus der Liebe Gottes, das ist meine Quelle. Meine Quelle ist nicht beim Hobby – ich habe ohnehin keine Zeit mehr für Hobbies. Meine Quelle ist die Liebe Gottes, sonst geht uns die Kraft aus. Die Männer wollen immer etwas machen. Und dann frage ich: Woher schöpfst du deine Kraft? Und dann kommt eine große Stille. Woher lebst du, aus welchen Quellen lebst du, was stärkt dich? Und dann frage ich die Familie: Betet ihr miteinander? Man kann immer ins Gebet gehen, das baut auf. Ich könnte hunderte Beispiele erzählen, wie Gott antwortet, wenn ich ihn ganz konkret um etwas bitte. Aber zuerst muss ich wissen, worum ich bitten soll… Ich meine jetzt nicht oberflächliche Bitten. Gott führt. Und so ist es wichtig, in diesem Auftrag Jesu zu leben. Diese Forderung der Liebe heißt, dass wir ganz mit Christus verbunden sind, das ist die Vollkommenheit, nicht die Fehlerlosigkeit. Wir glauben immer, wir müssen alles im Griff haben und fehlerlos sein – das steht nirgends in der Bibel. Das hat Gott nie gesagt, das ist ein heidnischer Vollkommenheitsbegriff – die Fehlerlosigkeit.

Der biblische Vollkommenheitsbegriff bedeutet in der Liebe ganz mit Christus verbunden zu sein.

Das ist ganz etwas anderes. Dann schöpfe ich aus der Kraft der Liebe. Und diese Liebe Gottes ist da zum Erfahren. Sie ist nicht da für ein paar besonders Auserwählte. Sondern sie ist da für jeden, denn wir sind aus Liebe geschaffen, berufen und von Gott gehalten und eingeladen, in seiner Liebe zu bleiben. Deshalb ist es wichtig, zu erkennen, wer Gott ist. Und wie ich Zugänge finde zum Wirken Gottes. Und Gott wirkt jeden Tag seine Wunder. Jeden Tag! Nur merken wir es nicht, weil wir so von den Problemen eingedeckt sind, dass wir ihn nicht mehr erkennen oder erfahren. Gott ist Liebe. Wenn du das einmal erkennen darfst! Erkennen heißt bei Johannes lieben – nicht mit dem Kopf, das funktioniert nicht – mit dem Herzen; die ganze Existenz, erfasst zu sein von Gottes Liebe. Und dann kann ich auch in meine Tiefen hinabgehen, in meine Abgründe. Die sind da. Je länger wir unterwegs sind, und je näher wir zu Gott kommen, das müssen wir wissen, immer tiefer tun sich dann unsere Abgründe auf. Warum? Wenn du nur eine 3 Watt Glühbirne hast in deinem Leben, wirst du nur Dunkelheit sehen: Ich habe keine Sünden, ich bin vollkommen. Aber wenn du mal eine 50 Watt Birne einschaltest, dann siehst du schon ein bisschen mehr. Und wenn dann die 100 Watt Birne kommt, mit der Reife des Leben, und du dann deine Abgründe siehst, dann erschrecken manche: Ja, ich habe doch schon so geliebt und war verantwortlich in der Kirche! Es ist wichtig, dass wir geistliche Erfahrungen richtig deuten. Nicht, dass wir glauben, wir sind schlechter geworden als vorher, sondern Gott zeigt uns nur mehr. Wir können schon mehr vertragen als Babynahrung. Da ist schon feste Kost, da kann man sich schon mal verschlucken. Aber wenn du in der Liebe bleibst, wirst du dich nicht verschlucken. Da wird jeder Brocken so runtergehen, dass du dir nicht den Magen verdirbst. Dass du keine Magengeschwüre bekommst. Das ist die Liebe. Es heißt auch: „Die Liebe geht durch den Magen.“ Das sagt ja etwas aus. Die Liebe ist etwas ganz Konkretes. Gott ist konkret. Er ist kein Philosoph, er ist kein Theologe. Er ist unser Vater, der uns voll Erbarmen sucht.

Gottes Treue verändert sich nicht, aber er geht anders auf uns zu. Schaut wie Abraham mit Gott verhandelt. Er geht auf die Menschen ein. Nur wenige begreifen es noch, wie wichtig das fürbittende Gebet für die Menschen ist. Und so gibt es vielfältige Wege, auf die Liebe Gottes zu antworten. Wir antworten nicht auf unsere Probleme und auf das, was uns die Menschen an den Kopf werfen. Wenn du keine Einsicht hast, dann hat der Kaiser das Recht verloren. Da kannst du sagen, was du willst. Wir antworten auf Gottes Liebe. Und dort, wo Gottes Liebe uns hintreibt, dort geben wir uns ihm hin. Das sind immer die existentiellen Stellen unseres Lebens. Gottes Liebe spielt mir die Nöte der Menschen herein. Ich antworte nur auf die Liebe Gottes, und so nimmt er mich immer tiefer hinein in sein Leben. Paulus drückt das theologisch so aus:

„Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir.“

Ich bin noch weit davon entfernt. Aber der Prozess geht dort hin: Christus lebt in mir. Christus liebt in mir. Christus beginnt mein Herz zu verwandeln, damit es immer mehr das Herz Jesu wird. Und er beginnt, mir Gaben zu geben, damit ich den Menschen dienen kann. Die Liebe dient. Obwohl wir guten Willens sind, hören wir Gott oft nicht. Wir sind nicht empfänglich. Und ich lade euch ein – das ist das Wichtigste im Leben – die Liebe zu leben, aus Gottes Liebe zu leben. Denn aus Liebe wurde ich geschaffen, aus Liebe wurde ich ins Dasein gerufen, zur Liebe hat er mich berufen. Wer hat denn gesagt, meine Berufung ist die Liebe? Die kleine heilige Therese von Lisieux.

Deine Berufung ist die Liebe, meine Berufung ist die Liebe.

Das hat eine einfache, demütige Ordensfrau so tief erfahren. Das ist doch schön, wenn ich erkenne, dass meine Berufung die Liebe ist und dass Gott in mir ist und durch mich wirken darf. Das ist das Schönste, was passieren kann. Gott zeigt uns wieder den Zugang zur Quelle des Lebens, zur Liebe Gottes. Und das wünsche ich: Dass du an diesen Quellen lebst. Die Psalmen sagen an den Bächen des Lebens, an den Strömen des lebendigen Wassers, das ist der Heilige Geist in diesen Tagen. Dann hast du Kraft für jede Situation. Sonst nicht. Sonst wird das Leben kümmerlich und ein Stück verloren und von Problemen beherrscht und von Ohnmacht und Aggression geprägt, die sich in die Depression wendet und damit einen Teufelskreis auslöst.

Gebet zum Heiligen Geist

(Dieses Gebet betete Papst Johannes Paul II täglich)

O Heiliger Geist, Du Liebe des Vaters und des Sohnes.
Gib mir immer ein, was ich denken soll.
Gib mir immer ein, was ich sagen soll und wie ich es sagen soll.
Gib mir ein, was ich verschweigen soll und wie ich mich dabei verhalten soll.
Gib mir ein, was ich zur Ehre Gottes, zum Wohl der Seelen und zu meiner eigenen Heiligung tun soll.

Heiliger Geist, gib mir Verstand, um zu verstehen und zu erkennen;
gib mir das Fassungsvermögen, um alles zu behalten.
Lehre mich die Methoden und gib mir die Fähigkeit, immer wieder zu lernen.
Gib mir Scharfsinn, um richtig zu deuten und zu unterscheiden.
Gib mir die Gnade, um wirkungsvoll zu sprechen.

Heiliger Geist, gib mir Zuversicht und Treffsicherheit am Beginn;
leite und führe mich bei der Ausführung und schenke mir Vollkommenheit beim Beenden.
AMEN.